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Enzyklopädisches Erzählen. Wissenspoetik im volkssprachigen Roman des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (14. bis 16. Jahrhundert)
Antragsteller
Professor Dr. Mathias Herweg
Fachliche Zuordnung
Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur)
Förderung
Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 329389881
Das Forschungsprojekt untersucht an paradigmatischen Texten des 14. bis 16. Jh.s die Formen und Funktionen enzyklopädischen Erzählens im volkssprachigen Roman zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit sowie ihre poetologischen Dimensionen. Enzyklopädisches Erzählen soll zu heuristischen Zwecken prinzipiell gattungsübergreifend als literarische Schreibweise verstanden werden, die einerseits enzyklopädische Wissensbestände narrativ integriert, andererseits auf Methoden, Deutungs- und Ordnungsmuster der zeitgenössischen Enzyklopädik rekurriert, diese literarisch adaptiert und transformiert. Enzyklopädisches Erzählen ist folglich als ein Beschreibungsbegriff zu verstehen, der neben inhaltlichen Aspekten vor allem narrative Strukturprinzipien und Strategien erzählender Literatur bezeichnet, insofern diese enzyklopädische Praktiken und Leitvorstellungen als literarische Dispositive adaptiert. Darin unterscheidet sich enzyklopädisches Erzählen von allgemein wissensreferenziellem Erzählen.Der Fokus des Projekts liegt auf der Frage nach der impliziten Poetik des enzyklopädischen Erzählens, wie sie sich zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit im volkssprachigen Roman als der narrativen Großform niederschlägt, die für die Integration verschiedenster Diskurse und disziplinär vielfältigen Wissens prädestiniert scheint: Durch Adaptation und Transformation enzyklopädischer Inhalte und Strukturprinzipien, d.h. durch die Dekontextualisierung und die narrativ-literarische Rekontextualisierung zeitgenössischer enzyklopädischer Wissensdiskurse, kann sich der volkssprachige Roman als spezifisch poetischer Träger und Vermittler universellen Wissens profilieren, dessen wie immer prekäre Einheit er im Prozess des literarischen Erzählens neu und anders zu konstituieren beansprucht. Insofern die Rekontextualisierung enzyklopädischen Wissens immer mit einer stofflichen und formalen Neukonfiguration im narrativen Arrangement einhergeht, etabliert sich der Roman zugleich als eine literarische Gattung, in der enzyklopädisches Weltwissen samt seiner Geltungsansprüche (auf Wahrheit, Vollständigkeit, Verbindlichkeit) reflektiert, kritisiert, subvertiert, sogar parodiert werden kann.Damit erweitert das Projekt bereits bestehende Forschungen zum Verhältnis von enzyklopädischen Wissensdiskursen und Literatur um einen historischen und exemplarisch gattungspoetischen Ansatz, der die in dieser Hinsicht bislang wenig untersuchte Makroepoche zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit in den Blick nimmt. Indem das Projekt nach dem Zusammenhang von Wissensformationen und Erzählstrukturen im vormodernen Roman und den damit verbundenen, Wissen und literarischen Text gleichermaßen betreffenden Transformationsprozessen (so der Defiktionalisierung literarischer Weltentwürfe) fragt, leistet es zugleich einen Beitrag zur Profilierung einer historischen Wissenspoetik in der volkssprachigen Literatur der Vormoderne.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen