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Schmutz. Epistemologie und Ästhetik eines Motivs in Literaturen und Kulturtheorien der Karibik
Antragstellerin
Dr. Isabel Exner
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung von 2016 bis 2017
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 323857900
Als 'Materie am falschen Ort' repräsentiert Schmutz - nach der bekannten Definition von Mary Douglas ( Mary Douglas; Purify and Danger. An analysis of concept of pollution and taboo, London/New York : Routledge, 2002. S. 44) - eine unzulässige Überschreitung von Grenzen, die durch kulturelle Ordnungen vorgegebenen sind. Unumgängliche Nebenwirkung jeglicher Wertsetzung, ist er nicht ein Gegenstand am Rand von Gesellschaft und Zivilisation, sondern ein Kulturprodukt par excellence, und das semantische Feld rund um Abfall und Dreck. Reinheit und Unreinheit artikuliert sich in machtvollen Diskursen. Die Dissertation untersucht aus diachroner Perspektive die metaphorischen Figurationen und narrativen Muster, die das prominent auftretende Motiv des Schmutzigen und seiner Variationen (Makel, Müll, Abfall, Überrest, Abjekt, Mischung, Verseuchung. Ansteckung...) in den Literaturen und Kulturtheorien der spanisch- und französischsprachigen Karibik durchziehen. Sie hinterfragt die Identifikationen und Subjektpositionen, die von seiner Inszenierung in einer 'Literatur der Prekarität' angestoßen werden, und durchleuchtet die Beziehung zwischen ästhetischen Modellen und Modellen des Zusammenlebens, die über den textuellen Ort von 'Schmutz' ausgehandelt werden. Die figurative Korrelation zwischen Schmutz und Gesellschaft wird zunächst darauf überprüft, wie sie Obsessionen der Reinheit und Exklusionsmechanismen in den Wissensformen und in der sozialen Ordnung des Kolonialismus und der Moderne unterstützt. Bis In die gesellschaftlichen Anklagen der naturalistischen Literatur (Manuel Zeno Gandia) können kontinuierlich Formen symbolischer Gewalt nachgewiesen werden, die auf 'Purizentrismus' (Vgl. zum Begriff Harald Zapf: Dekonstruktion des Reinen: Hybridität und ihre Manifestationen im Werk von Ishmael Reed. Würzburg : Königshausen und Neumann 2002. S. 47) fusen. In den 1990er Jahren taucht das Motiv in den Kontexten der Karibik vermehrt wieder auf. Diese Neubelebung ist jedoch mit wichtigen Bedeutungsverschiebungen verbunden: Kulturtheorien, die sich auf Konzepte wie Kreolisierung, Hybridisierung, Relation, Spur oder Chaos stützen, sowie eine neue ökopoetische Literatur (Patrick Chamoiseau) rekurrieren auf eine positive und innovative Art und Weise auf Metaphern der Unreinheit. Symbolische Rückstände werden zu Quellen eines epistemologischen Potentials und Recycling wird als neue materielle und memoriale Kullurpraxis herausgestellt. Die neuesten literarischen Inszenierungen von Schmutz und Vermüllung, die in der Arbeit analysiert werden (in Romanen des `schmutzigen Realismus´ von Edgardo Rodriguez Juliá und Pedro Juan Gutiérrez), stellen sich, andererseits, als Beispiele für die ambivalente Rolle der Literatur gegenüber den dominanten diskursiven Paradigmen einer Epoche dar. Ihre Poetiken leiten dazu an, die Präferenz von Unreinheitsmodellen als imaginative Basis von Kulturkritik zu hinterfragen.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen