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Archäobotanische und geoarchäologische Untersuchungen zur Veränderung vor- und frühgeschichtlicher Wirtschaftssysteme und Umweltbedingungen am Beispiel der prähistorischen Siedlungen in der Flusslandschaft der mittleren Lahn (Gemeinde Weimar, Lkr. Marburg-Biedenkopf)

Antragsteller Dr. Ralf Urz
Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 320416838
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Am Beispiel der prähistorischen Siedlungen im Tal der Lahn um die Gemeinde Weimar, Landkreis Marburg-Biedenkopf, wurden naturwissenschaftliche Untersuchungen zur Veränderung vor- und frühgeschichtlicher Wirtschaftssysteme und Umweltbedingungen in Flusslandschaften durchgeführt. Durch den Einsatz archäobotanischer Methoden konnten wichtige Kennzeichen der Landwirtschaftssysteme dieser Siedlungen erforscht werden. Dazu wurde aus 150 datierten Siedlungsbefunden der neolithischen, bronze- und eisenzeitlichen, frühgermanischen und mittelalterlichen Besiedlungsphasen zunächst ein Datensatz mit 71.000 botanischen Makroresten gewonnen. Unterstützt durch mehrere Pollenanalysen (A. Stobbe, Frankfurt) konnten daraus zahlreiche neue und weiterführende Ergebnisse erarbeitet werden, die erstmals ortskonstant bisher weitgehend unbekannte Kennzeichen vor- und frühgeschichtlicher Landwirtschaft und Kulturpflanzennutzung der Siedlungen in der Auenlandschaft eines Mittelgebirgstals beleuchten. Dabei ist deutlich geworden, dass sich auch die Landwirtschaft der Auensiedlungen überwiegend durch ihre Getreidewirtschaft fassen lässt. In der, mit wenigen Ausnahmen, großen Bedeutung des Getreideanbaus unterscheiden sie sich nicht von Siedlungen anderer Landschaftsräume. Bewirtschaftet wurden mit Auenböden und den Lössböden des westlichen Talrandes durchweg Standorte mit hohem Ertragspotential. Dabei ist, wie die Entwicklung der Getreidewirtschaft erkennen lässt, in der Tendenz eine Zunahme der Produktivität festzustellen, die sich in einer gesteigerten Artenvielfalt und/oder einer Konzentration auf immer ertragreiche Getreidearten ausdrückt. Diese Entwicklung zeigt sich, offenbar im Gegensatz zum archäologischen Fundbild, bereits seit der Frühbronzezeit ab 2000 BC mit der Übernahme des Dinkels als ertragreiches Wintergetreide. Ihr vorläufiger Höhepunkt im Lahntal wurde in der Latènezeit erreicht, während die auf den Sommeranbau konzentrierte Landwirtschaft während der kurzen frühgermanischen Besiedlungsphase um Christi Geburt im Vergleich zur vorangegangenen Latènezeit ein Bruch darstellt, zumindest was die Getreidewirtschaft betrifft. Hierin zeigt sich am Standort um Weimar besonders gut der große Einfluss kultureller Veränderungen auf die Entwicklung der Kulturpflanzennutzung. Da die prähistorische Landnutzung durch eine wechselhafte Fluss- und Hochflutdynamik direkt oder indirekt wesentlich geprägt wurde, sind geoarchäologische Methoden angewandt worden, um auch die natürlichen Einflüsse auf diesen Wirtschafts- und Siedlungsraum zu untersuchen. Dazu wurden insbesondere zwei Sedimentfallen ausgewertet, in denen die Sedimentationsgeschichte über einen Zeitraum von jeweils bis zu 10.000 Jahren widergespiegelt wurde. Die dort gespeicherten Ablagerungen lassen mehrfache Wechsel zwischen Auensedimenten und kolluvialen Ablagerungen erkennen, bei denen sich Hochflut- und Besiedlungsphasen einander ablösten. In keinem der untersuchten Profile lässt sich eine verstärkte Ablagerung von Auensedimenten fassen, die in Verbindung mit einer Besiedlungsphase stand. Es wird deutlich, dass in Phasen verstärkter Hochwasserdynamik die Besiedlung aussetzte oder weitgehend an den westlichen Talrand verlagert wurde (beispielsweise während der frühen Hallstattzeit und in der Zeit nach der frühgermanischen Siedlungsphase). Insgesamt betrachtet zeigen die Ergebnisse beispielhaft, dass die Talniederung seit dem Neolithikum nicht grundsätzlich besiedlungsfeindlich war und lediglich eine Nutzung von (Wald-)Weide ermöglichte. Im Lahntal waren die heute unter Auensedimenten verborgenen ausgedehnten Flächen bereits im Spätglazial entstandener Niederterrassen mit ihrer Lage oberhalb der feuchten Aue, phasenweise attraktive Siedlungs- und Wirtschaftsstandorte. Diese Talbodenbereiche bergen, insbesondere im Bereich von Talausgängen und Zuflüssen, ein hohes Potential bei der Prospektion noch unentdeckter Siedlungen. Wie der untersuchte Ausschnitt des Lahntals um Weimar gezeigt hat, sind die Auen der Mittelgebirgsflüsse schon lange keine reinen Naturlandschaften mehr, sondern alte schützenswerte Kulturlandschaften, deren Ursprünge weit in die prähistorische Zeit zurückreichen. Bereits mit der frühen Nutzung dieser Landschaften als Siedlungs- und Wirtschaftsraum erfolgten erste Eingriffe und Veränderungen, wenn auch die Umgestaltung nicht so nachhaltig war, wie sie im Lahntal südlich von Marburg und darüber hinaus heute zu erkennen ist.

 
 

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