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Politikvermittlung an der Schnittstelle von Unterhaltung und Information. Der Einfluss eudaimonischer Unterhaltungserlebnisse auf die Verarbeitung und Wirkung politischer Informationen

Antragstellerinnen / Antragsteller Professorin Dr. Anne Bartsch; Dr. Frank Schneider
Fachliche Zuordnung Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 318825390
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Verhältnis von Unterhaltung und politischer Kommunikation wird seit langem kontrovers diskutiert. Können unterhaltende Formen der Politikvermittlung politisch wenig interessierte Publikumssegmente erreichen? Oder lenken sie von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit politischen Inhalten ab? Im Rahmen des Projekts wurde ein theoretisches Modell entwickelt und getestet, das eine differenzierte Neubewertung dieser Kontroverse erlaubt: das Extended Dual-Process Model of Entertainment Effects on Political Information Processing and Engagement. Das Modell geht davon aus, dass Unterhaltung für Rezipient:innen einerseits hedonische Funktionen erfüllen kann, die eher einen oberflächlichen, heuristischen Verarbeitungsmodus begünstigen. Unterhaltung kann aber auch zur Befriedigung eudaimonischer Bedürfnisse wie Sinn- und Wahrheitssuche, kognitive Herausforderung und Selbstentwicklung dienen, die mit einem elaborierten Verarbeitungsmodus verbunden sind. Im Fokus des Projekts standen eudaimonische Formen des Unterhaltungserlebens, da diese im Kontext politischer Kommunikation von besonderer Relevanz sind. Beispielsweise haben Zuschauer:innen nach einem emotional bewegenden Unterhaltungserlebnis oft das Bedürfnis, über die Medieninhalte nachzudenken, sich weiter zum Thema zu informieren und sich politisch zu engagieren. Dies wurde im Rahmen von vier Experimentalstudien und einer bevölkerungsrepräsentativen CATI- sowie zweier Online-Befragungsstudien zu Themenabenden im Fernsehen untersucht. In den Experimentalstudien wurde der Einfluss eudaimonischer Unterhaltungsfaktoren (persönliche Relevanz, geringe Absorption von Aufmerksamkeit, emotionale Bewegtheit, moderate Erregung, negative und gemischte Valenz) auf politisch relevante Ergebnisvariablen (elaborierte Verarbeitung, Informationssuche und politische Partizipation) untersucht. Es zeigte sich, dass affektive und kognitive Komponenten des eudaimonischen Unterhaltungserlebens sich wechselseitig begünstigen und die Informationssuche und Partizipation zu politischen Themen anregen können. Die persönliche Relevanz des Themas schien keine typische Voraussetzung für eudaimonische Medieneffekte zu sein. Die Ergebnisse der Experimentalstudien lassen vielmehr vermuten, dass Themeninteresse und Partizipationsbereitschaft vor allem durch Mitgefühl und Perspektivübernahme mit Anderen angeregt wurden. In den Befragungsstudien wurden Synergieeffekte zwischen fiktionaler Unterhaltung und faktenorientierter Information bei der Rezeption von Themenabenden im Fernsehen untersucht. Dieser Ansatz der unterhaltenden Politikvermittlung, der die Vorteile von Unterhaltungs- und Informationsformaten kombiniert, ohne beide Formate zu vermischen, bietet eine Alternative zu vielfach kritisierten Hybridformaten wie Infotainment und Politainment und wurde deshalb vor dem Hintergrund des erweiterten Wirkungsmodells genauer untersucht. Die postulierten indirekten Zusammenhänge zwischen emotionaler Bewegtheit durch den Film mit den politisch relevanten Zielkonstrukten Themeninteresse, subjektives Wissen, Diskussionsverhalten und Partizipationsbereitschaft vermittelt durch elaborierte Verarbeitung konnten über verschiedene Erhebungsmodi, Stichproben und Themen gestützt werden. Gleiches gilt für Informationssuche zum Thema in den beiden Online-Befragungen. Der gemischte Befund zu objektivem Wissen bedarf weiterer theoretischer und methodischer Untersuchung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018). Self-transcendent media experiences: Taking meaningful media to a higher level. Journal of Communication, 68(2), 380–389
    Oliver, M. B., Raney, A. A., Slater, M. D., Appel, M., Hartmann, T., Bartsch, A., Schneider, F. M., Janicke-Bowles, S. H., Krämer, N., Mares, M.-L., Vorderer, P., Rieger, D., Dale, K. R., & Das, E.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/joc/jqx020)
  • (2019). Factorial validity and measurement invariance of the Appreciation, Fun, and Suspense scales across US-American and German samples. Journal of Media Psychology, 31(3), 149–156
    Schneider, F. M., Bartsch, A., & Oliver, M. B.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1027/1864-1105/a000236)
  • (2019). Politikvermittlung an der Schnittstelle von Unterhaltung und Information. Journal of Media Culture 4(1), 121-145
    Leonhard, L., Bartsch, A., & Schneider F. M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3726/spiel.2019.01.07)
  • (2020). Deliberative Offenheit durch Empathie. Eine experimentelle Untersuchung von Unterhaltung im politischen Kontext. Springer VS
    Kloss, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3)
  • (2020). Thinking about right and wrong: Examining the effect of moral conflict on entertainment experiences, and knowledge. Media Psychology, 23(5), 625–650
    Knop-Huelss, K., Rieger, D. & Schneider, F. M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/15213269.2019.1623697)
  • (2021). An extended dual-process model of entertainment effects on political information processing and engagement. In P. Vorderer & C. Klimmt (Eds.), The Oxford handbook of entertainment theory (pp. 537–557). Oxford University Press
    Schneider, F. M., Bartsch, A., & Leonhard, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780190072216.013.29)
  • (2021). Synergy effects of entertainment and information programs about organ donation on issue involvement and altruistic responses. Studies in Communication and Media, 10(1), 32–47
    Bartsch, A., & Angerer, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5771/2192-4007-2021-1-31)
  • (2022). Stopping the stigma. How empathy and reflectiveness can help reduce mental health stigma. Media Psychology, 25(3), 367–386
    Hecht, M., Kloß, A., & Bartsch, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/15213269.2021.1963991)
 
 

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