Meisterschaft im Prozess. Texte und Studien zum Langen Ton Frauenlobs
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Meisterschaft im Prozess, der Titel des Projektes ist zugleich Programm und umreisst den zentralen Fokus der Projektarbeiten. Gegenstand der Untersuchungen ist mit einem der Töne Heinrichs von Meissens, mit dem Langen Ton Frauenlobs, ein Ausschnitt aus der Sangspruchdichtung des 14. und der meisterlichen Dichtung des 15. Jhs. Diese Wahl reduziert die Komplexität des unübersichtlichen, bis in die Barockzeit reichenden Materials und ebenso die Kategorie der Autorschaft, die als Tonautorschaft zum Tragen kommt. Der methodische Ansatz des Projekts zielt in eine der zentralen mediävistischen Debatten um Autorschaft, Überlieferung und vormoderne Textualität. Mit der Verschiebung vom originären Autorkonzept zur Tonautorschaft werden im Rahmen eines Tons die vier Ton-Corpora der Großen Heidelberger, der Jenaer Liederhandschrift (C, J), der Weimarer und der Kolmarer Meisterliederhandschrift (F, k) als rezeptiv erzeugte gleichwertige ‚textuelle Formationen’ erschlossen. Die Textpräsentation veranschaulicht die historischen ‚Gegebenheiten’ des Tons überlieferungsnah, indem sie anders als die Frauenlobedition die Abfolge der Strophen in den vier Toncorpora beibehält und den Ton in seiner textuellen Form dokumentiert. Der Ton ist weder eine thematische, noch auch semantische Einheit; er ist als Strophengefüge eine begrenzte und geordnete Formation textueller Einheiten. Diesem veränderten Textualitätsverständnis trägt die methodische Ausrichtung der Studien Rechnung. So ist die Frage nach dem Autorschaftsbild neu dimensioniert mit der Orientierung auf den Meisterschaftsdiskurs in diesem Ton, der immer wieder anders poetologische und epistemologische Ansprüche verknüpft. Der methodische Ansatz wendet den Blick von der klassizistischen Autor-Werk-Einheit hin zur Prozessualität der Meisterschaft und ermöglicht es, dass anstelle eines individuellen Autorprofils mit den vier Toncorpora vier textuelle Meisterschaftsentwürfe als immer wieder anders gewichteter Zusammenhang von Poesis und Wissen erarbeitet werden können. Die Kategorie der Pozessualität lenkt die Aufmerksamkeit und markiert, dass die vier Entwürfe ihrerseits Zeugnis einer Dynamik der Wissenverarbeitung sind, die nur um der Erkenntnis willen stillgestellt ist. Denn gerade der Vergleich der vier Strophenfolgen markiert, dass die literarische Aufnahme und Verarbeitung kultureller Wissensressourcen eher synchretistisch als systematisch funktioniert und sich gegen Typologisierung und Generalisierung der Einzelergebnisse sperrt. Für eine Zusammenfassung, die die Abstraktion der Summe der Einzelbeobachtungen vorzuziehen hat, lässt sich sagen, dass im Langen Ton das Frauenlob eine multiple Instanz ist: Es ist Tonautorschaft, sprechende Tonbezeichnung, Selbstnennung, Ausdruck einer Form autoritärer Selbstbezüglichkeit (C 32); es ist zugleich auch als Texttyp präsent (Frauen- und Marienlob) und als Diskurstyp eigenen Rechts, wenn das Lob der höchsten Frau funktionalisiert ist für das Lob meisterlichen Spruchvermögens.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Meisterschaft und Transgression. Studie zur Spruchdichtung am Beispiel des Langen Tons der Frauenlob-Überlieferung, in: Das fremde Schöne. Dimensionen des Ästhetischen in der Literatur des Mittelalters, hg. von Manuel Braun / Christopher Young, Berlin / New York 2007, S. 309-334
Franziska Wenzel
- Meisterschaft im Prozess. Texte und Studien zum Langen Ton Frauenlobs, habil. masch., Radebeul 2010
Franziska Wenzel