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Eine resiliente Stadt: Die Republik Venedig im 15. Jahrhundert

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 313809822
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Mittelpunkt des Projekts stand der venezianische Rat der Zehn, der in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts – der Zeit der Terraferma-Politik Venedigs und der Handelssperren des ungarischen und römisch-deutschen Königs Sigismund – seine Kompetenzen erheblich erweiterte. Dem Rat der Zehn oblag es, potenzielle Gefahren für den Zustand und die Ehre der Republik zu erkennen und abzuwehren. Die entsprechenden präventiven und situativen Maßnahmen sollten herausgearbeitet und als Resilienzstrategien diskutiert werden. Sechs Ergebnisse der Projektarbeit seien hervorgehoben. 1. In der Geschichtswissenschaft bildet die Resilienz – das Resilient-Werden und das Resilient-Sein – einen höchst komplexen und vielschichtigen Forschungsgegenstand, der unter anderem der Verzahnung von vergangener Gegenwart und Zukunft, von individuellen und übergeordneten Interessen sowie von Deutungsmustern und Handlungen bedarf. Auf der Grundlagenforschung aufbauend hat die Teilprojektleiterin ein Analyseraster für die Untersuchung vergangener Resilienz entwickelt. 2. Im Projekt wurden die Register 9 und 10 des Rats der Zehn mit rund 1100 Einträgen vollständig transkribiert, in Auszügen übersetzt sowie um die Durchsicht der Register 8 und 11 und die Aufnahme von Einzeleinträgen ergänzt. Im Zuge dessen wurde deutlich, dass in der Literatur oberflächliche, zumeist falsche Beschreibungen der Arbeitsweise des Rats der Zehn vorherrschen. Zugespitzt formuliert ist jede Äußerung über diese in der älteren Forschung zu hinterfragen. 3. Der Rat der Zehn war polizeilich, richterlich und gesetzgeberisch tätig. Zentrale Handlungsbereiche stellten zwischen 1405 und 1435 die Aufsicht über den Gebrauch der Waffen, die Kontrolle der Viertel, der Laienbruderschaften (scuole grandi) sowie der Feste und Turniere, die Verfolgung der Sodomie, die Sanktionierung von kritischen Äußerungen über die Republik und die Verfolgung der Feinde auf der Terraferma dar. Sie werden in der kurz vor dem Abschluss stehenden Dissertationsschrift von Frau Bergmann dargestellt, die erstmals „Aufgaben – Strukturen – Verfahren“ des Rats der Zehn rekonstruiert. 4. Die Informationsgewinnung, -verarbeitung und -deutung wurden als für den Rat der Zehn als zentral und – für die Beschreibung der venezianischen Verfassung insgesamt – als neues Forschungsfeld identifiziert. 5. Seine Entscheidungen und Urteile leitete der Rat der Zehn – anders als vermutet – nur selten mit dem Argument der Not/Notwendigkeit (necessitas) ein. In den wenigen Fällen, in denen der Rat der Zehn auf die necessitas Bezug nahm, rechtfertigte er außerordentlich hohe Kosten, den Verstoß gegen ethisch-moralische Maximen, die Einführung bzw. Änderung eines Gesetzes oder aber einen Verfahrenszwang vor dem Hintergrund sich zuspitzender oder unvorhergesehener Entwicklungen zum Schaden der Republik. Der Befund der Teilprojektleiterin spiegelt wider, dass der Rat der Zehn in seinen Handlungen zwischen solchen, die er im Rahmen seiner Aufgabe der Gefahrenabwehr als Routine und in Übereinstimmung mit den geltenden Vorstellungen ansah, und solchen, mit denen einer außergewöhnlichen Bedrohung begegnet wurde, differenzierte. Über die Bestimmung von Normalität und Ausnahme positionierte er sich gegenüber anderen Verfassungsorganen in seiner Funktion und seiner Autorität immer wieder neu. 6. Während der Rat der Zehn die Sicherheit und die Stabilität der sozialen und politischen Ordnung gewährleistete, schützte der Senat unter anderem den Handel. Ergänzend zu der Erschließung der Register des Rats der Zehn wurden im Projekt die Akten des Senats für die Jahre 1411/12 sowie 1417-1433/34 vollständig durchgesehen und vier Handlungsfelder markiert: 1. die dem Handel immanenten Gefahren wie Seeraub, Plünderungen, Unwetter, Seuchen, Kriege und die Zerstörung von Wegen, 2. die Integration der Terraferma, 3. das Erstarken des Osmanischen Reiches und 4. die Handelssperren Sigismunds.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Die Informationspolitik des venezianischen Consiglio dei Dieci am Beispiel der da Carrara-Verschwörung (1405-1406), in: Eric Burkart/Vincenz Schwab (Hg.), Informationsverarbeitung in der Stadt des 12.–16. Jahrhunderts. Beiträge des interdisziplinären (Post-)Doc-Workshop des Trierer Zentrums für Mediävistik im November 2018 (Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, Beihefte 2), 37-55
    Bergmann, Eileen
  • Informationsverarbeitung in der Stadt des 12. bis 16. Jahrhunderts. Ein Resümee, in: Eric Burkart/Vincenz Schwab (Hg.), Informationsverarbeitung in der Stadt des 12.-16. Jahrhunderts. Beiträge des interdisziplinären (Post-)Doc-Workshop des Trierer Zentrums für Mediävistik im November 2018 (Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, Beihefte 2), 159–169
    Schulte, Petra
  • Rat und Resilienz. Krisenbewältigung in der Stadt des 14. bis 16. Jahrhunderts, in: H-Soz-Kult, 21.12.2018
    Burkart, Eric
  • Tagungsbericht: Informationsgewinnung, -verarbeitung und -deutung in der Stadt des 12. bis 16. Jahrhunderts: Historische Zugänge zum Konzept der Resilienz, in: Annales Mercaturae 5 (2019), 173-180
    Bergmann, Eileen & Seeger, Tim
  • Den Feinden Venedigs auf der Spur. Die Informationspolitik des Consiglio dei Dieci am Beispiel des Marsilius da Carrara, in: Schulte, Petra/Eileen Bergmann (Gastherausgeberinnen), Information und Resilienz in der Stadt des 12. bis 16. Jahrhunderts. In: Annales Mercaturae. Jahrbuch für internationale Handelsgeschichte/Yearbook for the History of International Trade and Commerce 6 (2020), 131-148
    Bergmann, Eileen
  • Information und Resilienz in der Stadt des 12. bis 16. Jahrhunderts. Annales Mercaturae. Jahrbuch für internationale Handelsgeschichte/Yearbook for the History of International Trade and Commerce 6 (2020)
    Schulte, Petra & Eileen Bergmann (Gastherausgeberinnen)
  • Resilienz durch Information. Einleitende Überlegungen, in: Schulte, Petra/Eileen Bergmann (Gastherausgeberinnen), Information und Resilienz in der Stadt des 12. bis 16. Jahrhunderts = Annales Mercaturae. Jahrbuch für internationale Handelsgeschichte/Yearbook for the History of International Trade and Commerce 6 (2020), 7-18
    Schulte, Petra
  • Zusammenfassung, in: Klaus Oschema/Bernd Schneidmüller (Hg.), Zukunft im Mittelalter. Zeitkonzepte und Planungsstrategien (Vorträge und Forschungen 90), Ostfildern 2021, 313-327
    Schulte, Petra
  • Der Begriff der Information in der italienischen Stadt des 15. Jahrhunderts. Politischer Deutungsraum Mittelalter (c(2022, 5, 16)), 71-94. V&R unipress.
    Schulte, Petra
 
 

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