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Mobilität und Bevölkerungswandel im Karpatenbecken vom 5. bis 7. Jahrhundert n. Chr: Veränderungen von Gesellschaft und Identität

Antragstellerin Dr. Corina Knipper
Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2016 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 314018267
 
Das Karpatenbecken ist eine Schlüsselregion zur Erforschung der europäischen Völkerwanderungszeit und des Frühmittelalters. Schriftquellen überliefern eine komplexe Abfolge von Bevölkerungsgruppen des 5. bis 7. Jh. n. Chr., darunter insbesondere die eurasischen Hunnen und Awaren, die germanischen Goten, Gepiden und Langobarden sowie Vertreter der früheren römisch-pannonischen und möglicherweise auch byzantinischen und slawischen Bevölkerung. Auch die archäologischen Quellen, insbesondere die oftmals sehr reich ausgestatteten Gräberfelder, zeigen räumliche Differenzierungen und Veränderungen im Laufe der Zeit. Dennoch stellten aktuelle Studien die Komplexität der Situation und die Unzulänglichkeiten einer unreflektierten Parallelisierung historischer Einheiten und archäologischer Gruppen von materieller Kultur und Grabbräuchen heraus. Ethnisch-kulturelle Gruppen waren stattdessen dynamisch und flexibel. Zusätzlich mag sich die externe Überlieferung eher auf die historisch aktive Führungsschicht und Militärverbände als auf ganze Bevölkerungsgruppen mit Frauen und Kindern beziehen. Gleichermaßen können Veränderungen der archäologischen Überlieferung durch andere Gründe als das Wandern von Personen bedingt sein, sodass die Bedeutung von Residenzwechseln von Individuen oder Gruppen bislang kaum einschätzbar ist. Das Deutsch-Ungarische Projekt wird deshalb die Möglichkeiten moderner interdisziplinärer Forschung nutzen und systematische archäologische Studien mit der Anwendung umfangreicher stabiler Isotopenanalysen verbinden. Strontium- (87Sr/86Sr) und Sauerstoff-Isotopenanalysen (d18O) an Zahnschmelz zeigen eine ortsfremde Herkunft auf der Individualebene an, während Kohlenstoff (d13C) und Stickstoff-Isotopendaten (d15N) Ernährungsgewohnheiten reflektieren. Um die statistische Relevanz der Ergebnisse zu garantieren, wird das Projekt auf ca. 420 menschlichen Individuen und Vergleichsproben aus den Gräberfeldern von Mözs-Icsei-dülö, Szeleste, Hajdúnánás-Fürj-halom-dülö und Keszthely-Fenékpuszta-Pusztaszentegyházi-dülö basieren. Die Beprobung aller Individuen dieser Bestattungsplätze ohne Vorauswahl nach Grabform und -ausstattung wird es erlauben, sowohl Hinweise auf gemeinsame Residenzwechsel von Gruppen als auch einzelne gruppenfremde Individuen zu identifizieren. Eine seit 2014 bestehende Co-Finanzierung der ungarischen Wissenschaftsförderung (OTKA) unterstützt die archäologischen und anthropologischen Auswertungen sowie eine Pilotstudie zu aDNA- und Isotopenanalysen. Insgesamt zielt das Projekt auf eine reflektierte Datenintegration, um Zusammenhänge zwischen den Veränderungen von materieller Kultur und Bestattungsbräuchen, Anteilen ortsfremder Individuen und Hinweisen auf abweichende Ernährungsstrategien herauszuarbeiten. Dies mündet in Modelle von individueller und gruppen-basierter Mobilität, die einen differenzierten Einblick in die Rolle tatsächlicher Residenzwechsel, die Interaktion von Gruppen und die Lebensweise der Menschen gewähren.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Ungarn
Mitverantwortlich Dr. Tivadar Vida
 
 

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