Sarkophag und Sarg der Aaschyt aus der 11. Dynastie (Kairo JE 47267 und JE 47355/T3C) - Edition, Kommentar und kulturhistorische Einordnung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Als sichtbares Ergebnis des Vorhabens war eine kommentierte Edition in Buchform vorgesehen. Diese ist wie geplant 2020 als Band 21 der Reihe „Studien zu altägyptischen Totentexten“ erschienen (https://www.harrassowitz-verlag.de/Sarg_und_Sarkophag_der_Aaschyt_(Kairo_JE_47355_und_47267)/titel_6442.ahtml). Die Untersuchung des einzigartigen Bestattungsensembles der Aaschyt, einer Nebenfrau König Mentuhoteps II. (11. Dynastie, 21. Jh. v.u.Zt.), berücksichtigte sowohl die Ergebnisse früherer vergleichbarer Untersuchungen, wollte aber auch neue Impulse für die künftige Beschäftigung mit komplexer Dekoration funerärer Ausstattung aus dem Alten Ägypten geben. Es war bereits bekannt und Arbeitsgrundlage des Vorhabens, dass insbesondere bei Särgen/Sarkophagen und Grabräumen nicht nur die immer wieder neue Auswahl von Texten und Bildern mit offenbarer Sorgfalt vorgenommen wurde, sondern auch die Anordnung dieser Dekorationselemente im Raum. Ausgehend von der philologischen und inhaltlichen Erschließung der einzelnen Texte und Bildszenen wurde der Versuch unternommen, plausible Kriterien zu formulieren, nach denen sie ihren Platz an ihrer jeweiligen Stelle erhalten haben. Mit den Himmelsrichtungen und der Position der auf der Seite liegenden Mumie im Sarg sind Fixpunkte gegeben, die sich etwa in den Reden an die einzelnen Grabwände niederschlagen oder an der Position von Gaben und Texten, die wesentlich - nicht unbedingt ausschließlich - bestimmten Körperteilen zugute kommen sollten. Hierbei ist nicht nur zwischen den vier Sargwänden zu differenzieren, die Kopf, Füßen, Vorder- und Rückseite zugeordnet sind, sondern auch zwischen Bereichen in Kopf- und Fußnähe auf den Langseiten. Als ein Ergebnis ist festzuhalten, dass diese Wahrnehmung der Wände auch für den ganz überwiegend bildlich dekorierten Sarkophag, bei dem sich außerdem die Zusammengehörigkeit zwischen der Kopfseite und dem Kopfende der Front (Scheintür) sowie der Fußseite und dem Fußende der Rückwand (Getreidespeicher) auch in z.T. unkanonischer Schriftrichtung niedergeschlagen hat, so dass man die Beschriftungen ohne Wechsel der Blickrichtung hintereinander lesen kann. Ein weiteres Kriterium stellen Bezüge zwischen mehreren Sprüchen dar, die sich inhaltlich direkt ergänzen können. Manchmal liegt in solchen Fällen nahe, die Reihenfolge von auf diese Weise definierten Spruchgruppen mit einer Abfolge jenseitiger Ereignisse zu korrelieren, also tatsächlich eine Lesesequenz anzusetzen, dies gilt aber eben nur für Ausschnitte der Dekoration. Eine solche lineare Umsetzung der gesamten Beschriftung erscheint hingegen nicht angemessen. Weitere Fragen bestanden hinsichtlich der Zeit- und Ortsgebundenheit der auf dem Sarg der Aaschyt erhaltenen Texte, da sie einer spezifischen historischen Situation zugeordnet werden können (kurz vor der Eroberung des nördlichen Ägyptens durch den thebanischen Herrscher Mentuhotep II.), hinsichtlich eines möglichen Einflusses des Geschlechts der Sarginhaberin auf das Textprogramm des Innensargs sowie auf Rang, Status und Ethnizität der Aaschyt und ihre Verarbeitung insbesondere in den Szenen auf dem äußeren Sarkophag. In allen drei Fällen fällt die Bewertung skeptisch aus. So ist Aaschyt zwar unzweifelhaft als dunkelhäutig gekennzeichnet, auf jede Präzisierung ihrer Herkunft, wie sie bei zwei dargestellten Dienerinnen explizit erfolgt, wird hingegen verzichtet. Die Beschränkung der Titelangabe "Königsgemahlin" auf den oberirdischen Bereich der Grabanlage kann auf die spezifischen Funktionen der Dekoration in den dortigen Grabkapellen gegenüber den Särgen zurückgeführt werden, in denen auch sonst Ehepartner nicht dargestellt und entsprechend selten erwähnt wurden. Eine primäre Ansprache der historischen Person Aaschyt als Hathorpriesterin - diesen Titel trägt sie auf Sarg und Sarkophag - und nicht als Königsgemahlin folgt daraus nicht. Nicht zu vernachlässigen sind zahlreiche punktuelle Fortschritte. Diese schließen die Korrektur mancher Stellen (mehr als erwartet) in der bereits bestehenden synoptischen Edition der Sargtexte ebenso ein wie die Lesungen der ungewöhnlichen Beschriftungen einiger Elemente im sog. Objektfries sowie eine Reihe neuer Deutungsvorschläge zu einzelnen Textpassagen und Bildszenen. Hervorgehoben sei hier die bekannte Darstellung einer Kuh mit Träne im Auge, was nun auf Basis von Szenen mit Beischrift aus dem Neuen Reich als Hinweis auf die nicht direkt gezeigte Schlachtung ihres Kalbs interpretiert wird und nicht mehr als (in einigen popularisierenden Darstellungen verniedlichter) Verweis auf vermeintliche Trauer der Kuh über die Zweckentfremdung ihrer Milch. Noch vor Projektbeginn konnte auf einem unpublizierten Sarg im British Museum ein bislang nur bei Aaschyt nachgewiesener Sargtext identifiziert werden. Das auf dieser 'neuen' Parallele erhaltene Spruchende fördert wiederum das Verständnis einer Formulierung in einem berühmten literarischen Text, dem "Dialog eines Mannes mit seinem Ba". Von Beobachtungen zur Schreibpraxis und ikonographischen Details sowie den ihnen zugrunde liegenden ausführlichen Indizes ist zu erwarten, dass sie künftigen Studien zu diesen Bereichen zuträglich sein werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Rattaui als Neiths Krokodil? Zu zwei Theonymen mit der Hieroglyphe (I5), in: Göttinger Miszellen 251 (2017), 7–12
Backes, Burkhard
- Darf man auf Unrecht treten? Zu einer Formulierung im Lebensmüden und in Sargtext 816, Göttinger Miszellen 256 (2018), 5–6
Backes, Burkhard
- The Crying Game. Some thoughts about the “cow and calf” scenes on the sarcophagi of Aashyt and Kawit, in: N. Staring/H. Twiston Davies/L. Weiss (Hgg.), Perspectives on Lived Religion: Practices – Transmission – Landscape, Papers on Archaeology of the Leiden Museum of Antiquities, Leiden 2019, 131–145
Backes, Burkhard
- Sarg und Sarkophag der Aaschyt (Kairo JE 47355 und 47267) ; mit Fotografien von Ahmed Amin und Sameh Abdel Mohsen und Zeichnungen von Felicitas Weber und Matthieu Götz. Bd. 1 - 2. Studien zu altägyptischen Totentexten ; Band 21. Wiesbaden : Harrassowitz Verlag 2020
Backes, Burkhard