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Entscheidungsharmonie und Qualifikationsverkettung bei der Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen - Rechtsvergleich und Methodenentwicklung am Beispiel der Einkünfte- und Betriebsstättenqualifikation

Fachliche Zuordnung Privatrecht
Öffentliches Recht
Förderung Förderung von 2015 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 284758003
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Prinzip der Entscheidungsharmonie und die Methode der Qualifikationsverkettung erweisen sich als grundsätzlich wirksame Methoden zur Vermeidung von Konflikten bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, welche zu einer unerwünschten doppelten (Nicht-) Besteuerung führen können. Nach dem Prinzip der Entscheidungsharmonie kann diejenige Auslegung einer Abkommensnorm vertreten werden, die am ehesten Aussicht hat, in beiden Vertragsstaaten akzeptiert zu werden, während die Methode der Qualifikationsverkettung eine unmittelbare Kopplung an die Qualifikation des Quellenstaats vorsieht. Die Ermittlung der dogmatischen Grundlagen und Verbreitung beider Auslegungsprinzipien sowie die Evaluation ihrer Anwendbarkeit in den Bereichen der Einkünfte- und Betriebsstättenqualifikation war Gegenstand der vorliegenden rechtsvergleichenden Untersuchung. Diese umfasste sechs Rechtsordnungen (Australien, Belgien, Deutschland, Großbritannien, Kanada und die USA). Im Rechtsvergleich hat sich gezeigt, dass beide Methoden in den verschiedenen untersuchten Rechtskreisen in unterschiedlichem Ausmaß bekannt und angewandt werden. Während die Entscheidungen ausländischer Gerichte in allen untersuchten Rechtsordnungen rezipiert werden, wird der Grundsatz der Entscheidungsharmonie nur in Deutschland explizit als solcher benannt und seine Anwendung folgt keiner verbreiteten und klar erkennbaren Struktur, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Seiner Anwendung liegen verschiedene dogmatische Herleitungen zugrunde, zusätzlich wird in Common Law-Staaten ein deutlich begrenzterer Anwendungsbereich nur für Begriffe, die sich nicht aus dem nationalen Recht definieren lassen, vertreten. Für die Methode der Qualifikationsverkettung zeigte sich, dass diese bislang nur in Belgien und Deutschland, jedoch noch nie von einem Obergericht, angewandt wurde. Dies dürfte mit darin begründet sein, dass gegen die Anwendung der Methode für Abkommen vor ihrer Aufnahme in den OECD-Musterkommentar Bedenken bestehen. Zudem wird sie in Anrechnungsstaaten regelmäßig nicht angewandt, da dort meist auf nationale Vorschriften zurückgegriffen wird, die eine konsistente Einkünftequalifikation unter dem Abkommen nicht erfordern. In Freistellungsstaaten steht die Methode in Konkurrenz zu switch-over-Klauseln. Die Untersuchung der Anwendungsfälle im Bereich der Einkünfte- und Betriebsstättenqualifikation zeigten die Eignung aber auch Grenzen der Methoden auf. Während eine harmonische und autonome Auslegung zur Überwindung nationaler Fiktionen bei der Qualifikation von Unternehmensgewinnen genutzt werden kann, ist für die Abgrenzung von Einkünften aus Vermögensverwaltung die Methode der Qualifikationsverkettung vorzuziehen. Auch bei der Betriebsstättenqualifikation wird eine eindeutige Identifikation der Kommissionärsbetriebsstätte durch die Methode der Entscheidungsharmonie erleichtert. Eine Qualifikationsverkettung ist ebenfalls denkbar, scheitert jedoch bei angelsächsische Staaten oftmals an der vom OECD-MA abweichenden Vertragspraxis. Folgefragen ergeben sich im Bereich des Verfahrensrechts bei der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts. Zudem sollten weitere Anwendungsfelder der Methoden untersucht werden, um deren Verbreitung zu fördern.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Entscheidungsharmonie und Qualifikationsverkettung als Methoden der Abkommensauslegung, in: Steuer und Wirtschaft (StuW), 93. Jg. (2016), Heft 1, S. 15–31
    Pleil, Christoph & Schwibinger, Stefan
  • Confronting Conflicts of Qualification in Tax Treaty Law: The Principle of Common Interpretation and the New Approach Revisited, World Tax Journal 2018 (Volume 10), No. 3
    Pleil, Christoph & Schwibinger, Stefan
  • Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht – eine rechtsvergleichende Analyse zur Vermeidung von Qualifikationskonflikten im Verhältnis Deutschland - USA unter Beachtung von Entscheidungsharmonie und Qualifikationsverkettung, in: Steuer und Wirtschaft (StuW), 95. Jg. (2018)
    Pleil, Christoph
 
 

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