Lebenszyklusorientierte Kundenvernetzung im Werkzeugbau
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Zuge der Globalisierung und des mit diesem Trend steigenden Preiskampfs mit Konkurrenten aus osteuropäischen oder asiatischen Niedriglohnländern sind deutsche Werkzeugbaubetriebe einem zunehmend aggressiven Wettbewerbsumfeld ausgesetzt. Lange Zeit differenzierten sich westeuropäische Werkzeugbaubetriebe durch höhere Produktqualitäten, jedoch führte die zunehmende Leistungsfähigkeit der Wettbewerber zu heute international vergleichbaren Qualitätsstandards. Aufgrund zusätzlich geringerer Faktorkosten in Niedriglohnländern ist eine Strategie der Differenzierung über niedrigere Preise für die Branche Werkzeugbau am Hochlohnstandort Deutschland ebenfalls nicht umsetzbar. Leistungssysteme und damit die verbundenen Leistungsbaukästen bieten deutschen Werkzeugbaubetrieben ein entscheidendes Potenzial zur Differenzierung indem kundenindividuelle Problemlösungen am Markt angeboten werden und einen erheblichen Mehrwert für den Kunden bieten können. In Folge der ansteigenden Produktderivatisierung mit der einhergehenden steigenden Produkt- und Produktionskomplexität fokussieren sich die Kunden zunehmend auf ihre Kernkompetenzen. Damit ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, den Kunden entlang des gesamten Lebenszyklus durch maßgeschneiderte Leistungsangebote zu begleiten. So können Werkzeugbaubetriebe als zentraler Befähiger der Großserienfertigung agieren und damit signifikant zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands beitragen. Werkzeugbaubetriebe nutzen die Chance jedoch häufig nicht. Das Dienstleistungsangebot vieler Unternehmen konzentriert sich übenwiegend auf die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeuge, wodurch lebenszyklusorientierte Kundenvernetzung im Rahmen von Leistungsbaukästen kaum eine Rolle spielt. Die aktive Gestaltung von Leistungsbaukästen, basierend auf der eigenen strategischen Ausrichtung, abgestimmt mit kundenindividuellen Anforderungen, findet meistens nicht statt. Vielmehr werden Dienstleistungen in Folge der zunehmenden Wichtigkeit für die Branche Werkzeugbau mittels unstrukturierter Herangehensweisen unüberschaubar an den Kunden vermittelt. In der Literatur ist dabei vielfach vom „Dienstleistungsdschungel“ die Rede. Der Kunde versteht die zusätzlich zum Produkt angebotenen Leistungen als selbstverständlich, woraus eine geringe Zahlungsbereitschaft resultiert. Die Werkzeugbaubetriebe sehen diese Zusatzleistungen daher als Kostentreiber und vernachlässigen damit den eigentlichen Kundennutzen. Schließlich versäumen viele Werkzeugbaubetriebe das Potenzial der Kundenvernetzung. Die dargestellten Ergebnisse des Forschungsvorhabens schaffen mit den drei Schritten Analyse des Umfelds, Analyse der Kompetenzen und Typisierung des Werkzeugbaus die Voraussetzung für die Gestaltung von lebenszyklusorientierter Kundenvernetzung. Im ersten Schritt wird zunächst das betrachtete Geschäftsfeld abgegrenzt, in dem daraufhin im Sinne der Market-Based-View die strategischen Erfolgspositionen bewertet werden. Im folgenden Schritt werden im Sinne der Resource-Based-View durch Benchmarking jene Kompetenzen des anwendenden Unternehmens bewertet, die die strategischen Erfolgspositionen adressieren. Schließlich werden im dritten Schritt durch Gegenüberstellung der strategischen Erfolgspositionen und der Kompetenzen Market- und Resource-Based-View zusammengeführt und darauf aufbauend die zukünftig beabsichtigte strategische Ausrichtung definiert. Die definierte strategische Ausrichtung ermöglicht eine Typisierung des anwendenden Unternehmens zu einem der vier Typen „Schnelligkeitsbefähiger“, „Komplexitätsreduzierer“, „Kostenreduzierer" und „Innovationsbefähiger“. Abschließend stellt das Gestaltungsmodell abhängig von den jeweiligen Typen einen maximal konfigurierten Leistungsbaukasten für die Kundenvernetzung dar, welcher kundenindividuell entlang des Produktlebenszyklus angepasst werden kann.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Kundenbindung stärken. Vor- und nachgelagerte Kundenvernetzung, In: Form+Werkzeug, Nr. 6, 2015, S. 38-39
Schuh, G.; Pitsch, M.; Kuhlmann. T.; Schippers, M.; Kelzenberg, C.
- Schwer imitierbarer Kundenutzen. Der Werkzeugbau als Smart Service für die kunststoffverarbeitende Industrie, In: Kunststoffe, Nr. 10, 2015, S. 38-41
Boos, W.; Pitsch, M.; Kuhlmann, T.; Kelzenberg, C.
- Life-Cycle-Oriented Product-Service-Systems In The Tool And Die Making Industry, In: Product-Service Systems across Life Cycle, Cavalieri, S.; Ceretti, E., Pezotta, T.; Pezotta, G., Vol. 47, 2016, S. 555-560
Schuh, G.; Salmen, M.; Kuhlmann, T.; Wiese, J.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.procir.2016.03.217) - Highly Iterative Product Development Within The Tool And Die Making Industry, In: The 24th CIRP Conference on Life Cycle Engineering, Takata, S.; Yasushi, U.; Shinsuke K., Vol. 61, 2017, S.576-581
Schuh, G.; Salmen, M.; Kuhlmann, T.; Wiese, J.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.procir.2016.11.259)