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Seismische Erkundung von ICDP Bohrlokationen im Nam Co See, Tibet

Fachliche Zuordnung Paläontologie
Physik des Erdkörpers
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 270747783
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Hochland von Tibet ist eine Schlüsselregion zum Verständnis der asiatischen und globalen Klimaentwicklung auf geologischen Zeitskalen, da es von verschiedenen Luftmassen beeinflußt wird und empfindlich auf Änderungen im Monsun Regime reagiert. Für genauere Klimamodelle, Daten der Klimaentwicklung auf dem Plateau wären wichtig, aber bislang fehlen geeignete lange Archive und Zeitreihen. Um die Situation der Sedimentfüllung des Nam Co zu bewerten, wurde 2014 eine kurze Expedition durchgeführt, und das Potential der Ergebnisse war der Anlaß, den Projektantrag im DFG Schwerpunktprogramm ICDP zu stellen. Das Projekt bestätigte die Existenz eines außergewöhnlichen, mehr als 1 Million Jahre alten lakustrinen Sedimentarchivs auf dem Tibet Plateau. Auf Grundlage von zu Projektbeginn 2016 in einer Feldkampagne gesammelten Echolot- und Mehrkanalseismikdaten, wurden mehrere wissenschaftliche Themen verfolgt, um das Sedimentationsregime, Seespiegelschwankungen, Sedimentverteilung, Ablagerungsmuster und die Abhängigkeit von den tektonischen Rahmenbedingungen zu verstehen, und eine Bohrkampagne vorbereiten zu können. Sedimentecholotprofile von 1400 km Länge wurde mit dem Bohrkern NC08/01 vom tiefen Seebecken korreliert und eine akustische Stratigraphie der letzten 20.5 ka erstellt. Moderne Sedimentation bei hohem Seespiegel findet nur in Tiefen unterhalb von 66 m statt und erzeugt in dieser Tiefe einen Onlap – feine Partikel werden eingeschichtet und gleichmäßig verteilt. Die Onlap Tiefe scheint an den Seespiegel gekoppelt zu sein, so daß sich aus der Analyse auch Seespiegelschwankungen für das Holozän rekonstruieren lassen. Bei niedrigem Seespiegel wird Sediment über Dichteströme eingetragen, ist grobkörniger und verändert die akustische Fazies. Die Daten zeigen einen sukzessiven Seespiegelanstieg zwischen 21 und 17 ka um 22 m, und einen schnelleren Anstieg zwischen 17 und 13 ka um weitere 40 m. Danach bleibt der Seespiegel hoch mit einem Maximum um 12 ka. Auf längeren Zeitskalen wurden die 970 km an Mehrkanalseismikdaten genutzt. Die seismische Stratigraphie weist auf mehr als 680 m Sedimentfüllung hin. Die seismische Fazies zeigt auffällige Wechsel in der Amplitude, vergleichbar zu den Echolotdaten, die ebenso direkt mit dem Seespiegel verknüpft werden können, etwa über Einheiten niedriger Amplitude mit hohem Seespiegel. Daraus wurde eine Seespiegelkurve abgeleitet, die sich mit 8 globalen Glazial-Interglazial Zyklen (Marine Isotopen Stadien) korrelieren läßt und eine detaillierte Chronostratigraphie für das späte Pleistozän ermöglicht. Es zeigt sich, daß dabei die Sedimentationrate über einen vollen Zyklus relativ gleichmäßig ist mit 0.52 mm/a, die Extrapolation würde dann ein Mindestalter der Seefüllung von über 1 Million Jahre liefern. Im Vergleich paßt die Seespiegelkurve recht gut zu anderen globalen und regionalen Klimaproxies, vor allem zum asiatischen Sommermonsun. Abweichungen könnten mit verstärktem Schmelzwasserzufluß oder dem Auftauen des Permafrost erklärt werden, aber dominant scheint der Niederschlag für die Seespiegelhistorie zu sein. Die Mehrkanalseismik zeigt außerdem eine große Zahl an tektonischen Störungen, die auf eine intensive Extensionsphase im späten Pleistozän im Nam Co Becken hinweist. Die Hauptstörung (‘Wrench Tectonics’) in NW-SE Richtung verläuft parallel zur dextralen Beng Co Störungszone nordöstlich vom Nam Co, sekundäre Störungen dagegen als Normal- oder Lateralverschiebungen, insgesamt mit dominanter W-E Extension. Kumulative Bewegungen liegen bei 0.3 mm/a in WSW-ENE Richtung bis 0.9 mm/a in WNW-ESE Richtungen, vegleichbar zum Yadong-Gulu Rift System, die letztere Richtung addiert sich insgesamt zu 315 m. Laterale Extrensionsraten liegen bei 0.5 bis 0.7 mm/a, entsprechen etwa der Hälfte der Extension am Yadong-Gulu Rift System, oder etwa 7% der gesamten Extension im südlichen Tibet. Tektonische Aktivität begann vor ca. 350 ka. Diese Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Tektonik im südlichen Tibet, die fast durchgehend aktiv war mit der Ausnahme zweier Zeiträume bei sehr hohem Seespiegel in MIS5e und während des Holozän. Mit Blick auf die Sedimentationsbedingungen im Nam Co Becken favorisiert die tektonischinduzierte Subsidenz die Schaffung von Ablagerungsraum in begrenzten Abschnitten des Beckens, die eine weitgehend kontinuierliche Sedimentation auch bei niedrigem Seespiegel sicherstellt. Insgesamt hat das Projekt eine Reihe neuer Erkenntnisse geliefert, ein seismo- und chronostratigraphisches Gerüst, eine Rekonstruktion von Seespiegelschwankunge und die tektonische Deformationsgeschichte, allesamt wichtige Kenntnisse für die Lokalsierung von Bohrungen in die sedimentären Klimaarchive.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • ICDP workshop on scientific drilling of Nam Co on the Tibetan Plateau: 1 million years of paleoenvironmental history, geomicrobiology, tectonics and paleomagnetism derived from sediments of a high-altitude lake. Scientific Drilling, 25(c(2019, 6, 12)), 63-70.
    Haberzettl, Torsten; Daut, Gerhard; Schulze, Nora; Spiess, Volkhard; Wang, Junbo & Zhu, Liping
  • The Sedimentary and Tectonic Evolution of the Nam Co Basin, Tibetan Plateau, since the Middle Pleistocene – A Seismoacoustic Study on Lake Sediments. Dissertation
    Schulze, Nora
 
 

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