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Grenzüberschreitende Bildungsverläufe: Selbst- und Fremdselektion beim Zugang Zugewanderter zu Bildung im Erwachsenenalter

Antragstellerin Dr. Janina Söhn
Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 270109932
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Diese DFG-Forschungsprojekt untersuchte, in welchem Ausmaß und unter welchen Umständen Migrant*innen, die als Erwachsene nach Deutschland einreisen, inländische Bildungsangebote wahrnehmen. Das soziologische Kernproblem des Zusammenspiels von Selbst- und Fremdselektion illustrierend analysierte es, wie in solchen grenzüberschreitenden Bildungsbiografien Selbst- und Fremdselektion interagieren, d.h. wie subjektive Sichtweisen, Motive, Bedürfnisse und Ressourcen seitens der Zugewanderten auf die in- und exkludierenden institutionellen Regelungen und die in Ermessensspielräumen handelnden institutionellen Akteur*innen treffen. Datenbasis der angewandten quantitativen und qualitativen Methoden waren das Nationale Bildungspanel (NEPS), das Panel "Arbeitsmarkt und soziale Sicherung" (PASS), biografisch-narrative Interviews sowie ergänzende Experteninterviews. Den NEPS-Analysen zufolge nahm rund ein Viertel aller als Erwachsene Zugewanderten in ihren ersten Jahren nach der Einreise nach Deutschland ein Bildungsangebot wahr, das im Schnitt in den ersten drei Jahren nach Einreise nach anfänglicher Nicht-Erwerbstätigkeit begann und rund zwei Jahre dauerte. Ein knappes Fünftel dieser Bildungsaktiven besuchte eine Hochschule, drei von zehn eine berufliche Ausbildung und 36 Prozent eine berufliche Weiterbildung. Vergleicht man das im Herkunftsland erworbene Bildungsniveau mit dem Niveau der ersten Bildungsbeteiligung nach Einreise, so gelang von jenen Zugewanderten, die nur einen Schulabschluss aus dem Ausland mitbrachten, immerhin 62% ein Bildungsaufstieg, indem sie eine Ausbildung oder ein Studium begannen. Allerdings nahmen gerade viele (44%) akademisch vorgebildete Migrant*innen eine transnationale Abwärtsmobilität hin, d.h. begannen z.B. eine berufliche Ausbildung. Unter allen bildungsaktiven Zugewanderten besuchten 28% ein Bildungsangebot auf dem gleichen Level (z.B. Zweitstudium) – was aber mit einer ungenügenden Anerkennung mit ausländischen beruflichen Qualifikation zu tun haben kann, wie unsere qualitativen Ergebnisse deutlich zeigten. Multivariate Analysen machten als Einflussfaktor auf eine Bildungsbeteiligung nach der Immigration u.a. ein (im Ausland erworbenes) akademisches Bildungsniveau oder einen weiterführenden Sekundarschulabschluss aus. Migrationsspezifische Einflüsse, die eine Bildungsbeteiligung Erwachsener begünstigen, sind ein jüngeres Einreisealter, eine Bildungsbeteiligung direkt vor der Einreise (statt einem bereits vollzogenen school-to-work Übergang im Herkunftsland) sowie eine Einreise als diesbezüglich integrationspolitisch privilegierte Aussiedler*innen bzw. ab 1992 Spätaussiedler*innen sowie Bildung als explizites Einreisemotiv. Jobcenter bieten den PASS-Analysen zufolge neu zugewanderten Jobcenter-Klient*innen, darunter Geflüchteten, mit Ausnahme von Integrations-/Deutschkurse, die meisten Maßnahme-Arten unterdurchschnittlich häufig an. Migrant*innen mit mehr als vier Jahren Aufenthalt haben dagegen gegenüber Klient*innen ohne Migrationserfahrung gleiche Chancen auf eine berufliche Fortbildung oder Umschulung und sogar eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, Unterstützung bei Bewerbungen angeboten zu bekommen und auf offene Stellenangebote hingewiesen zu werden. Eine teilweise oder vollständige Nicht-Anerkennung der mitgebrachten ausländischen Qualifikationen kam als Bildungsmotiv insbesondere bei jenen Interviewten zur Sprache, die anstrebten, wieder in ihrem reglementierten Beruf als Krankenschwester oder Ärzt*in zu arbeiten, sowie bei jenen, die in Deutschland ein Zweitstudium (auf selbem Niveau) absolvierten, auch weil sie mit ihrem ausländischen Abschluss wenig Arbeitsmarktchancen hierzulande sahen. Dennoch zeigten sich die interviewten Zugewanderten hoch motiviert und hofften mittelfristig ihre Chancen auf qualifizierte Arbeit zu erhöhen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • "Back to school in a new country? The educational participation of adult immigrants in a life-course perspective." Journal of International Migration and Integration 17(1): 193–214
    Söhn, Janina
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s12134-014-0401-1)
  • (2016). „Lebensläufe erwachsener MigrantInnen in Deutschland: Bildungsteilhabe und Erwerbsverläufe.“ In: Mitteilungen aus dem SOFI, 10(24): 17-19
    Söhn, Janina
  • (2019). "Initial employment pathways of immigrants in Germany. Why legal contexts of reception matter — an analysis of life-course data." Transfer: European Review of Labour and Research 25(1): 43–62
    Söhn, Janina
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1177%2F1024258918818069)
  • (2021). "Upward, lateral, or downward? Multiple perspectives on migrants’ educational mobilities." Social Inclusion 9(1): 140–151
    Söhn, Janina; Prekodravac, Milena
    (Siehe online unter https://doi.org/10.17645/si.v9i1.3599)
  • (2021): Migration und Arbeit: Transdisziplinäre Perspektiven und aktuelle Forschungsergebnisse. Tagungsbericht. Göttingen: Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI)
    Söhn, Janina, Jelka Günther und Eva Apelt
  • (2022): Grenzjustierungen – Bildungsbiografien Zugewanderter zwischen Qualifikation und Re-Qualifizierung. Bielefeld: transcript Verlag, 2022, 378 S.
    Prekodravac, Milena
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783839462539)
  • 2022. Jobcenters’ strategies to promoting the inclusion of immigrant and native job seekers: a comparative analysis based on PASS survey data. Journal for Labour Market Research, Vol. 56. 2022, Article number: 9.
    Lehwess-Litzmann, René, Söhn, Janina
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s12651-022-00313-8)
 
 

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