Untersuchung der Synergieeffekte zwischen nukleophiler Katalyse und Säurekatalyse bei der hocheffizienten Glykosidhydrolyse
Biologische und Biomimetische Chemie
Organische Molekülchemie - Synthese, Charakterisierung
Physikalische Chemie von Molekülen, Flüssigkeiten und Grenzflächen, Biophysikalische Chemie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Mehrfachzucker wie Zellulose und Xylan sind eine potenzielle nachwachsende Energiequelle und können Ausgangsverbindungen für Feinchemikalien sein. Für ihre technische Erschließung müssen diese sehr stabilen Verbindungen jedoch effektiv depolymerisiert werden können, wofür in vielen Fällen Biokatalysatoren (Glykosidasen) verwendet werden. So findet das hier untersuchte Enzym Bcx in der Papierherstellung technische Anwendung. Die glykosidische Bindung ist sehr stabil und es ist von großer Wichtigkeit, katalytische Mechanismen der Hydrolyse dieser Bindungen besser zu verstehen um maßgeschneiderte, stabile und effiziente Katalysatoren entwickeln zu können. Auch das Design spezifischer Glycosidaseinhibitoren als Wirkstoffe erfordert, dass unser Verständnis der von diesen Enzymen verwendeten katalytischen Strategien präzise und korrekt ist. Enzyme sind die mit Abstand effizientesten Katalysatoren der Glykosidhydrolyse und können glykosidische Bindungen bis zu 1017-mal schneller spalten als die unkatalysierte Reaktion. Glykosidasen wie Bcx verwenden zwei katalytische Carbonsäuregruppen, typischerweise die Seitenketten der Aminosäure Glutaminsäure, in einem zweischrittigen Substitutionsmechanismus. Dabei fungiert einer der beiden Glutaminsäuren als Protonenüberträger (Glu172) und die andere als Substituent am anomeren Zentrum (Glu78). Beide katalytischen Mechanismen wirken gleichzeitig und es wurde lange vermutet, dass die chemischen und elektronischen Eigenschaften dieser beiden Glutaminsäuren perfekt aufeinander abgestimmt sind um diese enorme katalytische Effizienz zu erreichen. Dieser faszinierenden Hypothese sollte in dieser Arbeit experimentell nachgegangen werden. Dafür sollten synthetische Varianten des Modellenzyms Bcx präpariert werden. In diesen Varianten sollte einer jeweils einer der beiden katalytischen Reste durch 4-Fluoro oder 4,4-Fluoro-Glutaminsäure ersetzt werden und so die elektronischen und katalytischen Eigenschaften der Reste feinstufig gegenüber dem natürlichen Enzym verändert werden. Insgesamt sollten also vier verschiedene künstliche Mutanten von Bcx semisynthetisch dargestellt und anschließend über enzymkinetische Experimente das Zusammenwirken der beiden katalytischen Reste aufgeklärt werden. Es gelang in diesem Projekt, die wichtigsten Ziele des präparativen Teils zu erreichen: Beide 4-Fluoro- Glutaminsäure-Derivate konnten als optisch reine, orthogonal geschützte Bausteine für die Peptidsynthese dargestellt werden. Weiterhin gelang es erstmals, diese künstlichen Aminosäuren in Peptide mittels Festphasenpeptidsynthese in Peptide einzubauen. Durch Ligation dieser Peptide mit einem rekombinant hergestellten Proteinteil und anschließender Faltung der vollständigen Peptidkette zum funktionalen Enzym wurde die Durchführbarkeit der entwickelten Semisynthesestrategie für Glu78 demonstriert. Für Glu172 musste die ursprüngliche Strategie geändert werden und die künstlichen Aminosäuren mittels in-vitro-Expression eingeführt werden. Für die nahe Zukunft sind Charakterisierung dieser ersten, 4-Fluoroglutaminsäure enthaltenen Enzyme geplant. Weiterhin sollen dann die enzymkinetischen Experimente durchgeführt werden, die den erhofften erstmaligen experimentellen Einblick in das Zusammenspiel der beiden Katalysemechanismen bei der Spaltung der glykosidischen Bindung geben sollen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Proteolytic Cleavage Driven by Glycosylation, J. Biol. Chem. 2016, 291 (1), 429-434
Kötzler, M.P.; Withers, S.G.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1074/jbc.C115.698696)