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Das nächtliche Selbst. Traumwissen und Traumkunst im Jahrhundert der Psychologie (1850-1950)

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 264037030
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die zwei chronologisch aufeinander folgenden Bände von "Das nächtliche Selbst. Traumwissen und Traumkunst im Jahrhundert der Psychologie" ermöglichen einen neuen Zugang zur Kultur- und Wissenschaftsgeschichte des Traums zwischen 1850 und 1950. Im ›Jahrhundert der Psychologie‹ entwickelt sich die zuvor überwiegend in der Philosophie angesiedelte ›Wissenschaft von der Seele‹ zu einer institutionell eigenständigen Disziplin. Die Beiträge zeigen, dass diese Entwicklung mit einem zunehmenden Interesse am Traum einhergeht, dessen Verständnis immer stärker von psychologischen Theorien und ab 1900 auch von der Psychoanalyse geprägt ist. Sichtbar wird, dass auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Traum im ›Jahrhundert der Psychologie‹ eine Blütezeit erlebt. Angefangen mit der Durchsetzung empirisch-experimenteller Forschungsmethoden in der Traumforschung um 1850 bis hin zur Etablierung eines neuen wissenschaftlichen Paradigmas, dem der Neurophysiologie, entfaltet sich ein intensives Zusammenspiel zwischen Traumtheorien, wie sie in Psychologie, Medizin, Philosophie und Ästhetik entworfen werden, und neuen Darstellungsformen des Traums, die sich in den Wissenschaften ebenso ausbilden wie in der Literatur, den bildenden Künsten und im Film. Zwischen 1850 und 1950 vollziehen sich innerhalb der Traumforschung einschneidende Veränderungen: Die romantischen Diskurse laufen um die Jahrhundertmitte aus zugunsten einer psychologisch-psychiatrischen Erforschung onirischer Phänomene. In Deutschland stehen für diese szientistische Wende Forscher wie Scherner, Volkelt, Strümpell und Radestock. In Frankreich markiert die Gründung der Annales médico-psychologiques 1843 die Etablierung eines neuen wissenschaftlichen Paradigmas. Zugleich stellen Sammlungen eigener und fremder Träume einen Korpus bereit, auf dessen Basis sich neue Fragen an den Traum herausbilden und organizistische Auffassungen zugunsten psychologischer Erklärungsansätze zurücktreten. Während erinnerte und erzählte Träume ab 1900 zum Gegenstand der Psychoanalyse werden, wird die somatische Dimension des Traums von ihrer psychischen abgekoppelt und im Rahmen der Schlaflaborforschung zu einem bevorzugten Thema der kontinuierlich erstarkenden Neurophysiologie. Ein Defizit der bisherigen Forschung zur Wissenschafts- und Kulturgeschichte des Traums bestand in der Vernachlässigung sprach- und länderübergreifender Zusammenhänge. In Das Nächtliche Selbst werden nun Netzwerke der Traumforschung ebenso erkennbar wie transnationale Beziehungen zwischen künstlerischen Bewegungen und einzelnen Kunstschaffenden. Die Vielfalt der wissenschaftlichen und künstlerischen Beschäftigung mit dem Traum wird hier erstmals in ihrer interdisziplinären und länderübergreifenden Dimension sichtbar. Die beiden Bände konzentrieren sich auf drei Problemzusammenhänge: Zunächst geht es um die Frage nach dem ›nächtlichen Selbst‹, worunter die Instanz verstanden wird, die den Traum hervorbringt. Untersucht werden die Konzeptualisierungen dieser Instanz sowie deren Zusammenhang mit umfassenderen psychologischen bzw. philosophischen Modellen des Subjekts. Sichtbar wird, welche Rolle die innovativen Praktiken des Umgangs mit Träumen bei der Herausbildung historisch neuer Formen von Subjektivität spielen. Eine zweite Frage betrifft die Darstellungsformen des Traums: Da Träume niemals unmittelbar wahrgenommen werden können, stehen der Forschung als Untersuchungsobjekt nur Traumerinnerungen zur Verfügung. Diese können Referenzcharakter nur erlangen, wenn sie in Sprache überführt oder bildlich festgehalten werden. Auch Literatur und Kunst können bezüglich der Traumdarstellung nur mit inneren Erfahrungen arbeiten, so dass sie von mimetischen Konzepten per se Abstand nehmen müssen. Die dritte Frage schließt hier an: Wie wirken sich Traumtheorien und Traumdarstellungen in den Wissenschaften auf Strategien künstlerischer Darstellung aus und in wieweit beeinflussen diese umgekehrt die wissenschaftliche Traumforschung?

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Das nächtliche Selbst. Traumwissen und Traumkunst im Jahrhundert der Psychologie. Bd. I: 1850-1900. Göttingen: Wallstein 2016
    Marie Guthmüller und Hans-Walter Schmidt-Hannisa
  • Das nächtliche Selbst. Traumwissen und Traumkunst im Jahrhundert der Psychologie. Bd. II: 1900-1950. Göttingen: Wallstein 2020
    Marie Guthmüller und Hans-Walter Schmidt-Hannisa
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5771/9783835344808)
 
 

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