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Fehlendes Schmerzempfinden: Pathophysiologie der SCN11A-assoziierten Erkrankung

Antragsteller Professor Dr. Ingo Kurth
Fachliche Zuordnung Molekulare und zelluläre Neurologie und Neuropathologie
Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven- und Gliazellen
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 261885804
 
Schmerzempfinden ist ein wichtiger Schutzmechanismus des Körpers. Der Wegfall dieser Schutzfunktion bei Patienten mit angeborenem Fehlen des Schmerzempfindens führt zu Verbrennungen, unbemerkten Frakturen und einer Neigung zu Selbstverstümmelungen. Wir konnten kürzlich zeigen, dass ein vollständig fehlendes Schmerzempfinden des Menschen auf eine spezifische Neumutation im SCN11A-Gen zurückgeführt werden kann. Der Nachweis dieser Punktmutation (p.Leu811Pro) gelang bei unabhängigen Patienten mittels Exom-Sequenzierung. SCN11A kodiert den spannungsgesteuerten Natriumkanal NaV1.9, der in schmerzleitenden (nozizeptiven) Fasern exprimiert wird und durch seine Aktivität Schmerzsignale der Körperperipherie zum zentralen Nervensystem weiterleitet. Zum Verständnis des Pathomechanismus haben wir die entsprechende Mutation in das Genom von Mäusen eingebracht. Knockin-Mäuse fügen sich ebenfalls Wunden zu und zeigen ein reduziertes Schmerzempfinden. Die mutierten NaV1.9-Kanäle der sensorischen Nervenzellen dieser Mäuse zeigen eine Überaktivität, was zur Anhebung des Ruhemembranpotentials der Nozizeptoren führt. Dieser Funktionsgewinn auf Kanalebene bewirkt in Folge vermutlich eine Inaktivierung anderer Natriumkanäle und Calciumkanäle, was zu einer Leitungsblockade der Nozizeptoren und einer fehlenden Signalweiterleitung führt. Dieser neue Mechanismus könnte möglicherweise auch im Rahmen einer pharmakologischen Schmerztherapie genutzt werden. Um die Auswirkung der Mutation jedoch besser zu verstehen wollen wir untersuchen, ob die NaV1.9 Überfunktion tatsächlich in-vivo zu einer reduzierten Aktivierung zentralnervöser Nervenzellen führt. Zudem soll eine Neurodegeneration aufgrund der NaV1.9-Dysfunktion im Detail am Mausmodell untersucht werden, da ein begleitender Zellverlust die Anwendbarkeit einer pharmakologischen Schmerztherapie durch NaV1.9 Modulation einschränken würde. Patienten mit der SCN11A-Mutation haben zudem eine gestörte Darmmotorik, die sich aufgrund der Expression des Kanals in neuronalen Schrittmacherzellen des Darms erklären könnte. Diesen Zusammenhang wollen wir ebenfalls am Mausmodell verstehen. Durch die Generierung von zwei weiteren Mausmodellen soll untersucht werden, ob die NaV1.9 Überfunktion möglicherweise bereits die Entwicklung der Schmerzbahnen stört und dieser Aspekt als einer der Gründe für das fehlende Schmerzempfinden in Betracht kommt. Zum anderen soll die übergeordnete Rolle der beiden TTX-insensitiven Kanäle NaV1.8 und NaV1.9 für die neuronale Erregbarkeit untersucht werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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