Dreams and spaces of a revolution / Architecture in Cuba 1959-2009
Final Report Abstract
Architektonisch geht Kuba seit 1959 im Denken wie im Handeln einen im lateinamerikanischen Kontext besonderen Weg. Die Überwindung der neukolonialen Abhängigkeiten verlangte die Abkehr vom American way of life. Ziel war, auf der Grundlage der eigenen Bedingungen und Interessen einen eigenen Weg zu gehen. Der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft sicherte in schwierigen Zeiten den Zusammenhalt der Gesellschaft. Der globale Kontext konditionierte die Ausrichtung der zwei großen dreißigjährigen Momente. INBESITZNAHME – 1959: eine erste Stunde null. Mediale Vermittlung spielte zu Beginn eine große Rolle: die Umdeutung der zentralen Orte Batistas besaß eine räumliche und bauliche Dimension, und sie lieferte kraftvolle Bilder – aus dem Plaza Cívica wurde die Plaza de la Revolución, aus dem Hotel Havana Hilton das Habana Libre, aus Kasernen landesweit Schulstädte. HEROISCHE ANFÄNGE – Die 1960er Jahre. Das erste Jahrzehnt war durch die Sichtweisen der technischen und künstlerischen Intelligenz geprägt. Im Rahmen ganzer Bauprogramme entstanden Wohn-, Sozial- und Kulturbauten, Fabrik- und Sportanlagen. Die revolutionäre Leidenschaft ist spürbar: es wurde mit Herz und Verstand an einem humanistisch verstandenen Weg gearbeitet. Für die gestalterische Vielfalt stehen auf einer organischen Linie die Kunstschulen und auf einer rationalistischen die Technische Universität Cujae, beide in La Habana. PLANWIRTSCHAFTLICHER PRAGMATISMUS – Die 1970er Jahre. Planwirtschaftliche Strukturen und Industrialisierung machten in einem anderen, eher materialistischen Geist die Partnerschaft mit der UdSSR aus. Den Sichtweisen der Funktionäre des Bauministeriums folgend, stand die Entwicklung von Gebäudetypen und Fertigteilsystemen im Vordergrund. So bei der mit dem Sistema "Girón" realisierten Schulen. Einen gestalterischen Höhepunkt liefert das Restaurante "Las Ruinas" durch den inszenierten Dialog des Skelettbaus mit dem Baumbestand des Parque Lenin. KORREKTUREN UND RE-KUBANISIERUNG – Die 1980er Jahre. Die Nebenwirkungen eines Weges, der die Menge vor dem Inhalten und der Qualität setzte, begründeten einen "Prozess der Korrektur von Fehlentwicklungen", durch den Individualität möglich wurde: so bei der Ausstattung der Provinzhauptstädte mit einer neuen Mitte in Form der Plazas de la Revolución; so im Wohnbau durch die neue Interpretation der historischen Blockstruktur. Das Hotel Santiago steht für eine urbane bildorientierte Gestaltung und, durch José Antonio Choy, für ein in der Planwirtschaft neues Berufsbild des Architekten als Autor. DURCHHALTEN – 1990: eine zweite Stunde null. Dieser Prozess wurde durch den Zusammenbruch der RGW-Staaten unterbrochen: das sozialistische Kuba stellte sich auf einen Alleingang unter verschärften Bedingungen ein und integrierte markt- und privatwirtschaftliche Strukturen. Zunächst brach die Bauproduktion ein – mit Ausnahme der Großprojekte für die Panamerikanischen Spiele und den Kongress der KP, deren Fertigstellung 1991 die Leidens- und Leistungsfähigkeit des Systems dokumentierte. Eine erste Facette: DIE ARCHITEKTUR DES ÜBERLEBENS. Das Überleben verlangte das gleichzeitige Gehen teils gegensätzlicher Wege. Angesichts der Versorgungsschwierigkeiten blieb vielen allein die Verwertung des Baubestandes im Selbstbau. Dafür steht vor allem der informelle Wohnungsbau. Aus der Not machten später auch formelle Projekte eine Tugend: so bei der Ausstattung des Boulevards in Santiago de Cuba mit in Ruinen eingerichteten Läden, Gaststätten und Plätzen. Eine zweite Facette – DIE INSZENIERUNG DER EIGENEN GESCHICHTE UND GEGENWART. In Habana Vieja setzte die "Oficina del Historiador" –die Denkmalpflege– dagegen auf formelle Projekte. Diese zielten auf die touristische und soziale Verwertung des umfassend sanierten und neu strukturierten historischen Stadtkerns. Punktuell entstanden auch zeitgenössisch gestaltete Objekte. Eine dritte Facette – DIE ARCHITEKTUR DER GLOBALEN TOURISMUSINDUSTRIE. Die größten Neubauten entstanden als joint ventures, darunter vor allem urbane Hotels und Strandhotels. Inhaltlich und formal handelt es sich dabei eher um internationale Architekturen in Kuba als um kubanische Architekturen im engeren Sinn – doch sie entwickelten, wegen ihres Bauvolumens und materielle Qualität, eine enorme Präsenz und setzten Standards. Eine vierte Facette – DIE ENTSTEHUNG EINES NEUEN LOKALEN MARKTES. Parallel dazu entstehen für eine neue kaufkräftige kubanische Kundschaft Wohnprojekte, wie der staatliche Reparto Nguyen Van Troi in Caibarién, aber auch private Wohnhäuser. Doch auch preisgekrönte Projekte dieser Art zeigen: es bedarf noch einiges, bis das Niveau der Vorzeit erreicht ist, inhaltlich und formal. Eine fünfte Facette – DER GEIST DER REBELLION LEBT WEITER. In diesem Kontext ragen die "Tribuna Antimperialista" und die Installation "Monte de Banderas" gegenüber der Botschaft der USA in La Habana heraus: sie stehen für eine rebellische Grundhaltung, die genauso Teil Kubas ist wie die Architektur des Überlebens und jene für die Tourismusindustrie.
Publications
- "Espacio ∙ Tiempo ∙ Revolución – Arquitectura en Cuba 1959-2017". In: Cuadra, Manuel, Hrsg.: "La Arquitectura de la Revolución Cubana 1959-2017 ". Kassel University Press, Kassel 2018, S. 205-228
Cuadra, Manuel
- "La Arquitectura de la Revolución Cubana 1959-2017 – Relatos Históricos Regionales – Tipologías – Sistemas". Kassel University Press, Kassel 2018
Cuadra, Manuel, Hrsg.
(See online at https://doi.org/10.19211/kup9783737650496)