Der soziale Status von Sprachen in Finnland und Litauen: Eine vergleichende Fallstudie zur Rolle verschiedener Erhebungsmethoden
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Studie sollte vor allem objektive Daten zu den Einstellungen, die litauische Staatsbürger dem Litauischen, Polnischen und Russischen entgegenbringen, erheben. Diese drei Sprachen repräsentieren die Sprache der litauischen Bevölkerungsmehrheit und offiziell vorgeschriebenen Sprache auf der einen sowie die Sprachen der beiden größten Minderheiten Litauens (Russen, Polen) auf der anderen Seite. Aus den gemessenen Einstellungen ergibt sich direkt der gesellschaftliche Status der drei Sprachen und somit auch der Status der jeweiligen Bevölkerungskreise; schlechte Statusbewertungen wären somit ein klarer Indikator für soziale Konfliktlinien. Im Ergebnis ist der Status aller drei Sprachen hoch (= gut) ausgefallen (kein Wert unter 4.5 auf einer 7-stufigen Skala); dabei gibt es eine klare Statushierarchie von Litauisch über Russisch zu Polnisch. Das für alle drei Sprachen positive Ergebnis steht der öffentlichen Meinung in Litauen, aber auch vielen dortigen direkten Befragungen entgegen und ist insofern eine Überraschung. Insbesondere die gute Bewertung von Russisch (~ der russischen Minderheit) entspricht nicht dem Bild in der Öffentlichkeit. Eine genauere Analyse der Daten brachte ans Licht, dass sowohl das Geschlecht der Sprecher als auch das Geschlecht und das Alter des/der Bewertendenden zu „individuellen“ Ausdifferenzierungen der positiven Gesamtlage führen: Probandinnen bewerten Menschen generell nachsichtiger als Probanden; die Altersgruppe der 16- bis 29-jährigen neigt zu negativeren Urteilen als die anderen Altersgruppen; wenn Frauen Litauisch reden, werden sie für sympathischer, schöner, fleißiger, ehrlicher und zuverlässiger gehalten als in den Fällen, in denen sie Polnisch oder Russisch verwenden; u.ä.m. Da die bisherigen direkten Befragungen oft zu anderen Ergebnissen kamen, lag es nahe, einen Methodenvergleich durchzuführen. Maßstab dafür war die von uns verwendete indirekte, objektive und experimentelle matched-guise-technique (MGT). Verglichen mit ihr erreichte ein Paralleltest, dem eine direkte Methode zugrunde lag, nur ein Übereinstimmung in 40 bis 65 Prozent der Ergebnisse (die Spreizung der Werte hängt davon ab, welchen thematischen Fokus man bei der Auswertung setzt). Am 27.10.2016 fand, von der gesamten, vierköpfigen Projektgruppe und mit freundlicher Unterstützung der Finnischen Botschaft bzw. des Finnischen Botschafters in Brüssel organisiert, die Vorstellung des Projektes und erster Ergebnisse auf der öffentlichen Veranstaltung „Social value of languages in Lithuania and Finland – is there anything to worry about?“ statt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- The Greifswald Report on Lithuania and Finland. A Survey about Language Attitudes towards the Official and Minorities’ Languages. Pre-Publication of Key Findings. Greifswald 2016
Stephan Kessler, Marko Pantermöller, Anastasija Kostiučenko und Yvonne Bindrim