Neue Urbane Ordnungen der Migration.Integrationspolitische Akteurs-Netzwerke in Frankfurt am Main
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt untersuchte am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main die Umsetzung und Implikationen eines Paradigmenwechsels von problem- zu potentialorientierten Perspektiven auf Migration im Feld kommunaler Integrationspolitiken. Die Feldforschung in Frankfurt bestand aus einer dreimonatigen teilnehmenden Beobachtung im für den Paradigmenwechsel federführenden Amt für multikulturelle Angelegenheiten und insgesamt 37 Interviews mit Fachteams des Amts für multikulturelle Angelegenheiten und anderer Fachämter sowie weiterer Expert_innen. Analytisch brachte das Projekt Literaturstände zur Geschichte der (städtischen) Regierung von Migration in der Bundesrepublik, angewandte Arbeiten zum Paradigmenwechsel städtischer Integrationspolitik und gouvernementalitätsanalytische wie politökonomische Perspektiven zur Neoliberalisierung von Stadtpolitik zusammen. Annahme war, dass sich mit dem Leitbild der „Stadt der Vielfalt“ im Spannungsfeld neoliberaler Prämissen der städtischen Ökonomie, Gesellschaft und Politik und den politikfeldspezifischen Wissensordnungen um Migration und Differenz ein neuer programmatischer Umgang mit Migration in der Stadt etabliert. Die zentrale Arbeitsthese lautete, dass sich der Wandel zwar als Teil einer übergeordneten Restrukturierung des Städtischen verstehen lässt, die praktischen Implikationen des Wandels aber in Abhängigkeit von lokalen Kontexten sehr heterogen ablaufen und den übergeordneten Restrukturierungslogiken bisweilen sogar entgegenstehen. Am Beispiel der Stadt Frankfurt, die den Paradigmenwechsel mit ihrem 2010 vorgelegten „Integrations- und Diversitätskonzept“ eingeleitet hatte, sollte insbesondere das Verhältnis des Paradigmenwechsels zu Neoliberalisierungsprozessen von Stadtpolitik untersucht werden. Im Fokus standen verwaltungsrelevante Diskurse und ihre konkrete Bedeutung für migrationsund integrationspolitische Praktiken. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass das Frankfurter Integrationskonzept Migration als städtische Normalität und deren Anerkennung als Querschnittsaufgabe begreift. Ausgangspunkt ist eine ‚transnationale’ Problematisierung der Stadtgesellschaft. Somit verändert sich die lange gängige Perspektive auf Zugehörigkeit in der Stadt – nationale Identität und Staatsbürgerschaft stehen nicht länger im Vordergrund städtischer Politiken. Die Steuerungsrationalität basiert auf ‚unternehmerischem’ Denken, betont aber nicht nur zu aktivierende Potenziale, sondern auch die ‚produktive’ Vernetzung von Bürgerinnen und der heterogenen Ordnungsmuster in der ‚Stadt der Vielfalt‘. Der Neoliberalismus dieser Politik zielt nicht nur ökonomisch auf den Wirtschaftsstandort ab, sondern auf die Aktivierung aller Ressourcen für eine ‚vernetzte’ Stadtordnung. Die Gesamtkonzeption lässt sich als ,urban politics of transnational citizenship' interpretieren, die durch Neoliberalisierungsprozesse gleichberechtigte Teilhabe in der städtischen Programmatik artikuliert. Für die programmatische Praxis ließ sich auf Grundlage der Feldforschung ein Spannungsfeld zwischen diesem neuen städtischen Blick auf Migration und dem alten nationalstaatlichen Blick auf Migration als Problem und Interventionsfeld nachzeichnen. Denn nationalstaatliche Ordnungsmuster bleiben in vielfältiger Hinsicht präsent, und die ‚Realitätsmächtigkeit’ der Programmatik der ‚Stadt der Vielfalt‘ beschränkt sich weitgehend auf die Etablierung von Dokumentationspolitiken (Konzepte, Monitorings). Zwar ist die Programmatik im zuständigen Frankfurter Amt für multikulturelle Angelegenheiten omnipräsent – eine systematische Neuausrichtung an den Zielen der ‚Vielfalt’-Steuerung für die Gesamtverwaltung fehlt jedoch. Das Projekt argumentiert im Ergebnis für eine praktische Kritik des Verwaltungshandelns in Frankfurt, indem es die Brüche zwischen nationalstaatlichem und städtischem Blick auf Migration aufgreift, zeigt, wie die Abwesenheit von Interventionen im Feld zu Konflikten führt und betont, dass dies politisch weitergehend mobilisiert werden könnten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Kommunale Integrations- und Vielfaltskonzepte im Neoliberalismus. Geographische Zeitschrift, 101(3-4), 166-183.
Pütz, Robert & Rodatz, Mathias
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Migration ist in dieser Stadt eine Tatsache. Urban politics of citizenship in der neoliberalen Stadt. sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung, 2(3), 35-58.
Rodatz, Mathias
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Summer in the City? Urban Citizenship nach dem Sommer der Migration. In: Widerspruch, Nr. 68, Jg. 2016, S. 79-90
Rodatz, M.
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Urbane Ordnungen der (Post-)Migration : Staatsrassismus in der (neoliberalen) 'Stadt der Vielfalt'. (2024, 1, 8). Wallstein Verlag.
Rodatz, Mathias