Experimentelle und theoretische Untersuchungen zu thermisch induziertenAberrationen optischer Systeme für die Lasermaterialbearbeitung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Multi-Kilowatt Festkörperlaser mit hoher Brillanz werden zunehmend in der Lasermaterialbearbeitung eingesetzt, beispielsweise zum Schneiden, Schweißen oder bei der additiven Fertigung. Strahlquellen mit hoher Brillanz weisen eine hohe Strahlqualität auf, die eine präzise Deposition der Energie auf dem Werkstück durch kleine Fokusradien ermöglicht. Allerdings führen die hohen Laserleistungen zu hohen thermischen Lasten auf den Strahlführungs- und -formungsoptiken. Durch Absorption von Laserstrahlung im Volumenmaterial sowie in Beschichtungen, z.B. zur Entspiegelung von Oberflächen, werden Optiken lokal erwärmt. Die resultierenden thermischen Gradienten führen zu einem temperaturabhängigen, lokalen Brechungsindexprofil sowie zu thermisch induzierten Oberflächendeformationen. Beide Effekte beeinflussen die optischen Eigenschaften. Neben einer Verschiebung der Fokusposition können thermische Aberrationen zu einer signifikanten Änderung des Strahlprofils führen und somit den Bearbeitungsprozess sowie eine koaxiale Prozessbeobachtung beinträchtigen. Folglich erfordert der Einsatz von Hochleistungslasern in der Materialbearbeitung eine Kompensation thermo-optischer Effekte. Zur Kompensation sind eine genaue Kenntnis über die genannten thermo-optischen Effekte und eine Berücksichtigung während des Optikdesignprozesses, für den üblicherweise kommerzielle Ray-Tracing Programme Anwendung finden, erforderlich. Diese Programme ermöglichen jedoch nur sehr eingeschränkt thermische Analysen. Um komplexe thermische Lasten berücksichtigen zu können, wird daher im Rahmen des Vorhabens eine Kopplung von Finite Elemente Analyse (FEA) und Ray-Tracing genutzt. Dabei werden die diskreten Daten aus der FEA für Temperatur und Oberflächendeformation mithilfe geeigneter numerischer Algorithmen für das Ray-Tracing nutzbar gemacht. Zur Identifikation optischer Materialien, die sich für den Einsatz bei Leistungen im multi-kW Bereich eignen, wird eine Recherche publizierter Materialdaten durchgeführt und diese um eigene Messdaten ergänzt. Mittels Photothermaler Commonpath Interferometrie werden der Volumenabsorptionskoeffizient in unterschiedlichen Substratmaterialien sowie der Absorptionsgrad in AR-Beschichtungen gemessen. Darüber hinaus wird die temperaturabhängige Emissivität experimentell ermittelt. Diese Daten dienen als Basis für die durchgeführten thermo-optischen Simulationen. Für die experimentelle Validierung wird ein praxisrelevantes optisches System, eine variable Fokussiereinheit, ausgewählt. Dabei werden drei unterschiedliche Quarzlinsenpaarungen analysiert. Als Strahlquellen werden ein Singlemode und ein Multimode Laser verwendet. Neben der Messung der Fokusverschiebung in Abhängigkeit der Laserleistung wird der transiente Aufwärm- und Abkühlvorgang der Optiken mittels Thermografie untersucht. Aus den gemessenen Temperaturverläufen werden u.a. Rückschlüsse auf die Kopplung zwischen den Linsen und dem Gehäuse gezogen. Bis auf Effekte durch die Laserkollimationsoptik, die nicht im Modell berücksichtigt werden, bildet das Modell das thermische Verhalten der Optik ab. Für den Multimode Laser beträgt die thermisch induzierte Fokusverschiebung 0,14 bis 0,23 Rayleighlängen pro kW und skaliert mit in den Optiken der absorbierten Leistung. Folglich sind bevorzugt hochwertige Optiken aus Substratmaterialen mit geringen Absorptionsgraden (z.B. synthetisches Quarzglas) sowie gering absorbierende AR-Beschichtungen (z.B. mittels Ion Beam Sputtering hergestellt) für Hochleistungsanwendungen zu verwenden. Zentraler Arbeitspunkt der Modellerweiterung ist die Berücksichtigung thermisch induzierter Oberflächendeformationen. Gegenüber synthetischem Quarzglas weisen optische Gläser eine nicht zu vernachlässigende thermische Ausdehnung auf. Für das Standardglas N-BK7 dominiert beispielsweise der Effekt der thermischen Deformation gegenüber der Brechungsindexänderung und ist daher zwingend im Modell zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden benutzerdefinierte, nicht-sequentielle Objekte für das Ray-Tracing entwickelt, die eine Modellierung thermisch belasteter Freiformflächen ermöglichen. Optische Elemente mit Freiformflächen kommen zunehmend in der Lasermaterialbearbeitung zum Einsatz, um prozessangepasste Intensitätsverteilungen zu generieren. Auf Basis der experimentellen und simulativen Untersuchungen werden Strategien für die Auslegung thermisch kompensierter optischer Systeme abgeleitet. Eine passive Kompensation transienter Effekte ist durch eine geeignete Kombination von Substratmaterialien mit negativem und positivem thermo-optischem Koeffizienten und der Anpassung von Linsendurchmesser und -dicke zu erzielen. Die aktive Kühlung des Linsenrands ist häufig nicht empfehlenswert, da sich dadurch der Temperaturgradient über den Strahlquerschnitt erhöht und den thermischen Linseneffekt verstärkt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- „Modeling and Compensation of Thermally Induced Optical Effects in Highly Loaded Optical Systems“, Dissertation, RWTH Aachen University (2014)
A. Gatej
- „Modeling of optical aberrations due to thermal deformation using finite element analysis and ray-tracing“, Proceedings of SPIE Vol. 9626, S. 96261 (2015)
T. Bonhoff, L. Büsing, J. Stollenwerk und P. Loosen
(Siehe online unter https://doi.org/10.1117/12.2190879) - „Simulation and measurement of thermooptical effects in an f-theta lens at high laser power“, DGaO-Proceedings 117, C015-7 (2016)
T. Bonhoff, C. Gayer, J. Stollenwerk und P. Loosen
- Experimental and theoretical analysis of thermo-optical effects in protective window for selective laser melting. In Proceedings of the International Conference on Lasers in Manufacturing LiM, Munich, Germany (pp. 26-29)
T. Bonhoff, M. Schniedenharn, J. Stollenwerk, P. Loosen