Immunhistochemische und in vitro-funktionelle Untersuchungen zur endolymphatischen Natriumchlorid-Homöostase durch den saccus endolymphaticus
Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven- und Gliazellen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des hier durchgeführten Forschungsprojekts war die Identifizierung zellulärer und molekularer Pathologien im menschlichen Innenohr, welche (i) spezifisch mit der chronischen Innenohrerkrankung Morbus Menière assoziiert sind und (ii) auf Basis derer ein ätiopathologisches Konzept zur Entstehung des “idiopathischen” endolymphatischen Hydrops (EH) und der charakteristischen, fluktuierenden Innenohr- Symptomatik beim Morbus Menière entwickelt werden kann. Der Fokus der Arbeiten in diesem Projekt lag auf der systematischen histologischen und immunhistochemischen Analyse des ductus endolymphaticus (endolymphatic duct, ED) und des saccus endolymphaticus (endolymphatic sac, ES) – zweier Abschnitte des membranären Innenohrlabyrinths, deren nicht-sensorische Epithelien vermutlich für die Regulation der Ionenkonzentrationen, der Osmolarität und des Volumens der Endolymphflüssigkeit im gesamten Innenohr funktionell wichtig sind, worauf schon frühere Arbeiten hindeuten. Im ersten Arbeitsabschnitt des Projekts wurde mittels immunhistochemischer Methoden systematisch nach der Expression von Natrium (Na+)-Transportproteinen in den einzelnen anatomischen Abschnitten des ED und des ES der Maus gesucht. Hierbei zeigte sich, dass im Epithel des murinen ES eine molekulare, Mineralokortikoidhormon-regulierte Effektorkaskade vorhanden ist, durch welche vermutlich Na+-Ionen (Endolymph im ES enthält hauptsächlich Na+ als Kationen) reguliert aus dem Endolymphkompartment transepithelial resorbiert werden können. Diese molekulare Kaskade ist exklusiv im Epithel des extraossären (distalsten) Abschnitts des ES exprimiert und zeigt einen von proximal nach distal gerichteten Expressionsgradienten im extraossären ES-Epithel (höchste Expression im distalen (blinden) Ende des ES). Änderungen der systemischen Aldosteronkonzentration in Mäusen führen zu einer Änderung der Proteindichte der mineralokortikoid-regulierten Na+-Transportproteine im ES-Epithel. Mittels dieser mineralokortikoid-regulierten Ionentransporter kontrolliert das Epithel des distalen (extraossären) ES vermutlich die Osmolarität und der Endolymphe und adaptiert dieses an die kontinuierlichen Schwankungen unterliegende Blutplasma-Osmolarität, um das Volumen der Endolymphflüssigkeit im Innenohr konstant zu halten. Im zweiten Arbeitsabschnitt des Projekts wurde untersucht, ob auch das ES-Epithel im humanen Innenohr die Mineralokortikoidhormon-regulierten Signal- und Na+-Transportmoleküle exprimiert. Um die archivierten, Celloidin-eingebetten, histologischen Schnitte humaner Felsenbeine (Humane Felsenbeinbank des Massachusetts Eye and Ear Infirmary, Boston) für immunhistochemische Untersuchungen nutzbar zu machen, wurde ein neues Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe die Schnitte einem Hitze-induzierten “Antigen retrieval” (Hitzebehandlung in der Mikrowelle) zugeführt werden konnten, um die Wahrscheinlichkeit der Antikörperbindung an Gewebsepitopen zu erhöhen und gleichzeitig die filigrane Gewebsmorphologie des membranären Labyrinths in den entkalkten Felsenbeinen zu erhalten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigten, dass auch im extraossären Abschnitt des humanen ES-Epithels alle molekularen Komponenten des Mineralokortikoidhormon-regulierten, transepithelialen Na+- Transports in einem Gradienten (von proximal nach distal zunehmend), analog zu dem im ES der Maus, exprimiert sind. Im dritten Arbeitsabschnitt des Projekts wurde die Histomorphologie und die immunhistochemische Lokalisation des Mineralokortikoidhormon-regulierten Na+-Transportsystems im extraossären ES von Patienten mit der klinischen Diagnose Morbus Menière und “idiopathischem” EH untersucht. Hierbei zeigte sich, dass bei ca. ¾ der Fälle spezifisch das Epithel im extraossären ES degeneriert ist, während das Epithel im Bereich des intraossären Abschnitts des ES und des ES intakt war. Aufgrund der oftmals sehr ausgeprägten Epitheldegeneration fand sich in diesen Fällen auch keine Expression der Mineralokortikoidhormon-regulierten Na+-Transportmoleküle. Im restlichen ca. ¼ der Fälle war der extraossäre Abschnitt des ES nicht angelegt (Hypoplasie); das morphologisch untypische Epithel im distalsten Abschnitt des hypoplastischen ES zeigte nur eine sehr schwache Expression der Mineralokortikoidhormon-regulierten Na+-Transportmoleküle. Diese Pathologien im ES fanden sich in Fällen mit klinisch einseitiger Menière-Erkrankung (und einseitigem idiopathischem EH) nur im betroffenen Innenohr und in Fällen mit klinisch beidseitiger Erkrankung (und bilateralem EH) in beiden Innenohren. Zusammenfassend konnte in diesem Projekt: (1.) erstmals eine zelluläre Pathologie im membranären Labyrinth des humanen Innenohres identifiziert warden (Verlust des extraossären Abschnitts des ES), die in den klinisch betroffenen Innenohren nahezu aller Meniere-Patienten zu finden war; (2.) gezeigt werden, dass das extraossäre ES-Epithel (in der Maus und im Menschen) exklusiv Aldosteron-regulierte Ionen (Na+)-Transportporteine exprimiert, welche vermutlich für die Ionenund Volumenhomöostase der Endolymphe im gesamten Innenohr funktionell von Bedeutung sind; (3.) gezeigt werden, dass das extraossäre ES-Epithel (der Maus) ein “Aldosteron-target Gewebe” ist, in dem das Mineralokortikoidhormon die Expression von Ionen (Na+) Transportproteinen reguliert; (4.) basierend auf diesen Ergebnissen eine Hypothese entwickelt werden, die die Entstehung des (idiopathischen) EH beim Morbus Meniere auf zellulärer und molekularer Ebene erklären kann.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Absence or loss of the distal endolymphatic sac portion and its aldosterone-regulated ion transport function in Meniere's disease. 53. Inner Ear Biology Workshop, Montpellier, France, 2016
Eckhard A., Nadol Jr, JB., Adams, JC.
- Immunohistopathology of the extraosseus portion of the endolymphatic sac in idiopathic endolymphatic hydrops and Meniere's disease. 16. Triennial Meeting of the International Otopathology Society (Schuknecht Society), Boston, USA, 2016
Eckhard A., Nadol Jr, JB., Adams, JC.