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Struktur und Organisation der frühmittelalterlichen Wirtschaft und Gesellschaft im ostfriesischen Küstengebiet: Die Siedlungskammer Dunum, Ldkr. Wittmund, als Modellregion

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2013 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 235130850
 
Die im Rahmen archäologischer Forschungen entdeckten Befunde und Funde haben gezeigt, dass die im südlichen Nordseeküstenraum ansässigen Gemeinschaften während des frühen Mittelalters eine besondere Position bei der Organisation der überregionalen Kommunikation und des Warenverkehrs innehatten. Die im Kontaktbereich zwischen Marsch und Geest liegenden überaus fruchtbaren Acker- und Weideflächen bildeten die Grundlage für die Ernte und Weiterverarbeitung zahlreicher landwirtschaftlicher Produkte, deren Umfang weit über das für die Subsistenz erforderliche Maß hinausging. Innerhalb der Produktpalette nahmen besonders qualitätvolle Textilien eine herausragende Stellung ein; diese in den zeitgenössischen Quellen als pallia fresonica bekannten Gewebe wurden über ein weit verzweigtes, große Teile Mittel- und Nordeuropa umspannendes Distributionssystem verhandelt. Einem von Detlev Ellmers entworfenen Modell folgend, wird allgemein angenommen, dass sich die Organisation des Handels im Verlauf des frühen Mittelalters von einem dezentralen, von Landsässigen Wanderhändlern bestimmten, hin zu einem auf Handelsniederlassungen mit dort ansässigen Berufshandwerkern basierenden System entwickelte. Allerdings steht bislang noch eine Überprüfung dieses Modells und die detaillierte Analyse der im frühmittelalterlichen Küstenraum erkennbaren Entwicklungen und der dahinter stehenden gesellschaflichen und wirtschaftlichen Strukturen aus. Hier will das an dieser Stelle beantragte Vorhaben ansetzen. Ausgangspunkt ist die bereits in mehreren vegetations-, landschafts- und besiedlungsgeschichtlichen Studien partiell untersuchte Gemarkung Dunum, Ldkr. Wittmund. Während des frühen Mittelalters bildete sie eine von Niederungen und Mooren eingefasste Siedlungskammer, die einen direkten Zugang zur Nordsee besaß. Es bestanden dort mindestens acht Siedlungen, deren Bewohner ihre Verstorbenen vom 7. bis 10. Jahrhundert, also über die Phase der ersten Missionierungsbemühungen hinaus, gemeinsam auf einem Gräberfeld beigesetzt haben, das bereits nahezu vollständig archäologisch untersucht werden konnte. Dabei zeigte es sich, dass die großflächige Überdeckung mit Plaggeneschen die Gräber nicht nur vor der neuzeitlichen Landwirtschaft bewahrt hat sondern auch ein günstiges bodenchemisches Milieu für die Erhaltung metallener Grabbeigaben sowie der anhaftenden organischen Substanz geschaffen hat. Damit bietet die Siedlungskammer Dunum hervorragende Voraussetzungen zur Überprüfung des o.g. Modells von D. Ellmers und zur Gewinnung neuer Erkenntnisse zum frühmittelalterlichen Wirtschaftssystem, aber auch zu den mit der Umwelt verknüpften, imaginären Gedankenwelten (ideellen Landschaften) und deren Wandel. Es ist anzunehmen, dass die im Rahmen des Vorhabens gewonnenen Einblicke in das soziokulturelle Zusammenspiel der im Grenzbereich zwischen Geest und Marsch ansässigen Bevölkerung auch auf andere Siedlungsräume im Bereich der südlichen Nordseeküste modellhaft übertragen werden können.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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