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Handlungsautonomie in der Spätmoderne - subjektiver Anspruch, institutionelle Basis und strukturelle Dynamik einer normativen Leitidee

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2012 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 229270944
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt hat ausgehend von der Beobachtung einer systematischen und paradoxalen Divergenz in zeitgenössischen soziologischen Untersuchungen zwischen Diagnosen eines progressiven Autonomieverlustes und Wahrnehmungen erweiterter Autonomiespielräume in der Spätmoderne das Verhältnis zwischen den Autonomieansprüchen der Subjekte und den institutionellen Autonomiezumutungen systematisch und empirisch untersucht. Alle vier hierfür im Antrag entwickelten Forschungsmodule konnten im Projektverlauf wie vorgesehen umgesetzt und abgeschlossen werden. Dazu wurde in Modul 1 eine extensive Diskursanalyse anhand von 960 Artikeln aus den Tageszeitungen FAZ und TAZ und in Modul 3 38 leitfadengestützte, problezentrierte Interviews erhoben und mit dem Analyseinstrumentarium der dokumentarischen Methode unter Zuhilfenahme von MAXQDA ausgewertet, wobei die Auswahl der Interviewpartner der doppelten Unterscheidung nach Akteursgruppen und institutionellen Feldern folgte. Als zentrales Ergebnis der Literaturarbeit und Diskursanalyse hat das Projekt den Vorschlag entwickelt (und publiziert), vier unterschiedliche Bedeutungsfacetten von Autonomie systematisch zu unterscheiden, nämlich (1) negative Freiheit, (2) moralische Vernunft, (3) ethische Autonomie und schließlich (4) Eigenverantwortung. Mit Hilfe dieser Differenzierung, so der Anspruch, lassen sich die Widersprüche und Paradoxien der aktuellen Zeitdiagnosen im Hinblick auf Autonomiegewinne und –verluste erhellen und erklären. Auf dieser Basis und als zentrales Ergebnis der empirischen Analyse der Passungsverhältnisse und Realisierungschancen zwischen subjektiven Autonomieansprüchen und ‚objektiven‘ Autonomiezumutungen hat das Projekt eine Typologie von sieben sehr unterschiedlichen Akteurstypen entwickelt, die es erlaubt, die unterschiedlichen analytischen Dimensionen der individuellen Autonomieansprüche und die sozialstrukturell vermittelten Realisierungschancen auf der einen Seite und die institutionellen Autonomieanforderungen sowie die auf der Handlungsebene vorfindbaren realen Praktiken und Strategien auf der anderen Seite systematisch miteinander in Beziehung zu setzen. Dabei zeigte sich, dass die im Institutionengefüge durch vielfache und widersprüchliche Anforderungen angelegten Spannungen sich auf die Ebene der individuellen Akteure verlagern, wo sie entsprechend erlitten und bearbeitet werden müssen. Das Individuum wird so zum „Klempner“ spätmoderner gesellschaftlicher Institutionen. Durch diese Vereinnahmung individueller Gestaltungsarbeit gehen jedoch letztlich dauerhaft Kapazitäten für einen echten Wandel zugunsten einer verbesserten Realisierungschance von individuellen Autonomieansprüchen verloren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2016): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung; Berlin: Suhrkamp [englische Fassung in Vorbereitung bei Polity Press; französische Fassung bei La Découverte, spanische bei Katz, koreanische bei Chaek-se-sang]
    Rosa, Hartmut
  • (2017): Autonomie in der Krise? In: Bohmann, U./ Börner, S./ Lindner, D./ Oberthür, J./ Stiegler, A. (Hg.): Praktiken der Selbstbestimmung. Zwischen subjektivem Anspruch und institutionellem Funktionserfordernis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 239-265
    Börner Stefanie; Oberthür Jörg; Stiegler, André
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-14987-1_10)
  • (2017): Autonomiespielräume als prekäre institutionelle Funktionsvoraussetzung des Fallmanagements. In: Sowa, F./Staples, R. (Hg.): Beratung und Vermittlung im Wohlfahrtsstaat. Baden-Baden: Nomos, Edition Sigma. S. 211-236
    Börner, Stefanie; Lindner, Diana; Oberthür, Jörg; Stiegler, André
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5771/9783845282732-210)
  • (2017): Paradoxien der Selbstbestimmung. Überlegungen zur Analyse zeitgenössischer Subjektivität. In: Bohmann, U./ Börner, S./ Lindner, D./ Oberthür, J./ Stiegler, A. (Hg.): Praktiken der Selbstbestimmung. Zwischen subjektivem Anspruch und institutionellem Funktionserfordernis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 25-56
    Petersen, Niklas
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-14987-1_2)
  • (2017): Praktiken der Selbstbestimmung. Zwischen subjektivem Anspruch und institutionellem Funktionserfordernis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
    Bohmann Ulf; Börner, Stefanie; Lindner, Diana; Oberthür, Jörg; Stiegler, André (Hg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-14987-1)
 
 

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