Neural basis of spatial neglect symptoms in thalamo-cortical circuits
Final Report Abstract
Räumlicher Neglect/Extinction ist die Vernachlässigung einer Raumhälfte, welche häufig nach Hirnläsionen auftritt. Patienten mit Neglect verhalten sich so, als hätte die zur Läsion gegenüberliegende (kontraläsionale) Raumhälfte weitgehend aufgehört zu existieren und explorieren diese nur unzureichend mit Kopf- und Blickbewegungen. Die mit Neglect assoziierten Läsionen treten innerhalb verteilter Netzwerke auf, die sich sowohl aus kortikalen Arealen (z.B. frontoparietalen) als auch aus subkortikalen Strukturen (z.B. Pulvinar) zusammensetzen. Während die Mehrzahl der Neglectstudien auf kortikale Läsionen fokussiert hat, widmete sich das vorliegende Projekt dem Einfluss von Pulvinarläsionen auf Aktivität in Neglect-assoziierten kortikalen Arealen. Das Hauptziel der Studie war dabei die Erforschung des Einflusses neuronaler Aktivität im Pulvinar auf kortikale Raumrepräsentationen. Hierzu untersuchten wir die Effekte lokaler (reversibler) Läsionen im dorsalen Pulvinar auf räumliches Verhalten und fMRT-Signale bei Rhesusaffen während diese Augenbewegungen zu instruierten oder selbst gewählten Reizen ausführten. Gleichzeitig variierten wir die mit den Reizen assoziierte Belohnung (signalisiert durch die Farbe) um zu evaluieren ob die verminderte kontraläsionale Exploration auf einem perzeptuellen oder einem motivationalen Defizit beruht. Gesunde Menschen und Affen wählen fast immer die mit hoher Belohnung assoziierten Positionen. Nach (reversibler) Inaktivierung des dorsalen Pulvinar entschieden sich die Affen fast immer für Reize auf der ipsilesionalen Seite, wie man es bei einem räumlichem Neglect/Extinction erwarten würde. Wenn aber die Menge der zu erwartenden Belohnung auf der kontraläsionalen Seite höher war, wählten die Affen fast immer diese höhere Belohnung, kompensierten also ihr räumliches Defizit. Unsere begleitende fMRT-Studie ergab, dass unilaterale Inaktivierung des Pulvinar die Aktivität in fronto-parietalen (z.B. FEF, IPS) und superioren temporalen Arealen (z.B. MST, TPO) erniedrigt. Diese Reduktion beobachteten wir in beiden Gehirnhälften, mit einem stärkeren Effekt für kontraläsionale Reize. Dies könnte die Vernachlässigung der kontraläsionalen Raumhälfte erklären. Auch nach der Inaktivierung riefen Reize mit höherem Belohnungswert in fronto-parietalen Arealen und in den Basalganglien eine relativ höhere Aktivität hervor. Das dorsale Pulvinar scheint daher eher die räumliche Handlungsplanung zu beeinflussen, als die Verarbeitung von handlungsassoziierten Belohnungswerten. Interessanterweise verursachte die Inaktivierung auch starke Aktivitätsreduktionen in Gehirnregionen, die mehr mit Propriozeption und/oder Planung handmotorischer Bewegungen (z.B. Greifen) als mit Augenbewegungen in Verbindung gebracht werden (z.B. Area 5, MIP/PRR). Pharmakologische Inaktivierungen liefern nicht die zeitliche Auflösung um zu bestimmen, ob und wann das Pulvinar die Verarbeitung visueller Hinweisreize oder Handlungsentscheidungen beeinflusst. Um dieser Frage nachzugehen, charakterisierten wir die Eigenschaften von Pulvinarneuronen in visuomotorischen Entscheidungsaufgaben und führten eine Reihe von Mikrostimulationsexperimenten durch. In der Sakkadenaufgabe antworteten die Neurone in allen Zeitperioden: fuer Hinweisreiz, Planung und Bewegungsausführung. Interessanterweise wiesen eine Vielzahl von Neuronen erst eine räumliche Spezifität auf nachdem die Augenbewegung bereits abgeschlossen war und waren sensitiv für Handbewegungen. Die zeitlich spezifische elektrische Stimulation des dorsalen Pulvinar ergab weiterhin die stärksten räumlichen Entscheidungseffekte um den Zeitpunkt der Handlungsausführung. Zusammenfassend konnte unser Projekt einen kausalen Zusammenhang zwischen neuronaler Aktivität im dorsalen Pulvinar und räumlichen Entscheidungen einerseits und parieto-frontaler kortikaler Aktivität herstellen. Unsere Daten liefern sowohl eine plausible Erklärung für das räumliche Defizit als auch die belohnungsinduzierte Kompensation. Unsere fMRT und elektrophysiologischen Daten weisen außerdem auf eine bisher unzureichend untersuchte Funktion des dorsalen Pulvinar bei der Koordination von Auge- und Handbewegungen und/oder räumlichen Transformationen hin.
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