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Identitätsarbeit unter Druck. Mit welchen Praktiken bearbeiten überschuldete Menschen aus der Mittelschicht ihre gefährdete soziale Identität und welche Handlungsoptionen und Handlungsrestriktionen erwachsen daraus?

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2012 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 215345915
 
Das Forschungsvorhaben will untersuchen, welche Art von Identitätsarbeit Menschen erbringen müssen, die aufgrund von nachhaltiger Überschuldung von sozialem Abstieg bedroht sind bzw. diesen teilweise bereits hinnehmen mussten. Deshalb sollen Menschen im Fokus stehen, die aufgrund ihrer Ausbildung und aufgrund ihrer Erwerbsintegration bislang keine grundlegenden Exklusionserfahrungen durch Überschuldung gemacht haben (Angehörige der Mittelschicht). Für die Identitätsarbeit des um Orientierung und um Handlungsfähigkeit bemühten Subjekts ergeben sich aus dem Überschuldungsprozess erhebliche Herausforderungen: Sie müssen das Problem der Überschuldung individuell innerhalb der eigenen Familie und dem eigenen Nahfeld bearbeiten – und zwar mittels Interaktion und Kommunikation. Dabei stehen vor allem die Identität und die Handlungsfähigkeit des Subjekts im Zentrum, das (a) in die Familie und (b) in verschiedene Gruppen (Nachbarschaft, Arbeitskollegen/innen, Vereine etc.) eingebettet ist und dessen Identität ganz wesentlich von der Interaktion mit Angehörigen dieser Gruppen und den Zuschreibungen von staatlichen und/oder privaten Organisationen (Banken, Geschäften, Rechtsanwälten) beeinflusst ist. Einerseits hat das Subjekt vor der Verschuldung aus der Interaktion mit seiner sozialen Gruppe Gewissheit über seine Zugehörigkeit und damit über seinen sozialen Ort erfahren, andererseits muss es jetzt zur Kenntnis nehmen, dass diese Zugehörigkeit durch eben diese Gruppe zur Disposition gestellt ist. Mit dem Forschungsvorhaben verfolgen wir das Ziel, typische Aspekte der Identitäts- und Kommunikationsarbeit unter Überschuldungsdruck in einer qualitativ angelegten und wissenssoziologisch ausgerichteten Paneluntersuchung herauszuarbeiten. Gegenstand unserer Untersuchung ist die Interaktion zwischen den Familienmitgliedern, mit den Vertretern von beteiligten Institutionen (Banken, Unternehmen, Anwälten) und dem sozialen Umfeld der Familie (Nachbarschaft, Arbeitskollegen/innen, Vereine etc.), die über drei Jahre hinweg in drei Wellen beobachtet und erfragt werden soll. Der prozessuale und sozialkonstruktivistische Charakter der Identitäts- und Kommunikationsarbeit und damit das Bemühen der Subjekte um eine stabile Identität unter Überschuldungsbedingungen gewinnen in dem „aktivierenden Staat“ der Gegenwart (Lessenich 2008) zunehmend gesellschaftlich an Bedeutung. Deshalb geht es nicht nur um individuelle Bewältigungsstrategien historisch bestimmbarer Krisensituationen, sondern um die kommunikative Produktion gesellschaftlicher Ordnung durch Akteure, für die diese Ordnung zweifelhaft geworden scheint und die sich eine neue Ordnung kommunikativ und interaktiv erzeugen müssen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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