Intuitive Vorstellungen und reflexive Prozesse beim Denken und Urteilen über bioethische Fragen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das DFG-Projekt „Intuition und Reflexion“ hatte zum Ziel theoretisch angenommene lernförderliche Effekte der Berücksichtigung intuitiver Vorstellungen (sowohl fachlich als auch bezüglich des Selbst- und Weltbildes) in zwei Laborstudien experimentell zu überprüfen. Zwei feldexperimentelle Studien im schulischen Kontext (Born, 2007; Monetha, 2009) bekräftigen diese Hypothese. Netzwerkmodelle der Informationsverarbeitung (z.B. Strack und Deutsch, 2004) lassen den Schluss zu, dass der Einbezug von impliziten Vorstellungen zur eigenen Person und zum Thema Gentechnik eine Assoziationskette in Gang bringt, die zu einer Öffnung der Perspektive auf das betreffende Phänomen führt und günstige Effekte auf den Lerntransfer hat. Entgegen unserer Hypothesen hatte der Einbezug von intuitiven Vorstellungen unabhängig von der Art ihrer Präsentation in der ersten Laborstudie einen nachteiligen Effekt auf den Lerntransfer. Bei detaillierterer Analyse zeigte sich, dass lediglich Versuchspersonen mit einem hohen Bedürfnis nachzudenken in ihrer Leistung beeinträchtigt werden. Eine kurzfristige, alleinige Beschäftigung mit intuitiven Vorstellungen zum Thema Gentechnik und zur eigenen Person scheint primär zu irritieren und von der routinierten Beschäftigung mit der Thematik wegzuführen. Entsprechend der Cognitive Load Theorie (Sweller, 1988; Sweller, van Merriënboer & Paas, 1998) scheint die Intervention innerhalb unserer ersten Untersuchung als kognitive Belastung des Arbeitsgedächtnisses gewirkt zu haben. Innerhalb unserer zweiten Laborstudie ermöglichten wir aus diesen Gründen den Versuchspersonen eine längerfristige und gemeinschaftliche Beschäftigung mit den intuitiven Vorstellungen zum Thema Gentechnik und überprüften zusätzlich, ob es sich dabei lediglich um eine kognitive Belastung handelt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung erbrachten keine Nachteile bezüglich der Beschäftigung mit intuitiven Vorstellungen auf den Lerntransfer. Darüber hinaus bewirkte der gemeinschaftliche Austausch über intuitive Vorstellungen für Versuchspersonen mit hohem Bedürfnis nachzudenken einen besseren Lerntransfer und ein stärkeres Aufgehen im Tätigkeitsvollzug einer Schreibaufgabe. Dieser Befund steht im Einklang mit Untersuchungen, die gemeinschaftliches Lernen bei zunehmender Komplexität des Lernmaterials als lernförderlicher begreifen und umgekehrt (Kirschner et al., 2009). Gleichzeitig zeigt das Ergebnis – wie in der ersten Laborstudie –dass die Beschäftigung mit intuitiven Vorstellungen nur Personen mit einem hohen Bedürfnis nachzudenken beeinflusst. Aufgabe zukünftiger Forschung wird es sein diesen Effekt intuitiver Vorstellungen auf persönliche Dispositionen auch in Feldexperimenten näher zu untersuchen sowie die in der zweiten Laboruntersuchung gefundenen explorativen Ergebnisse experimentell zu systematisieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2007). Intuitive Vorstellungen bei Denk und Lernprozessen: Der Ansatz der „Alltagsphantasien“. In: D. Krüger, H. Vogt (Hrsg.): Theorien in der biologiedidaktischen Forschung. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 117-128
Gebhard, U.
- 09.6.2007 Hamburg Vorstellung des Projektes bei der 2. „Nacht des Wissens“; „Die Macht der inneren Bilder“
Gebhard, U., R. Mielke, A. Dittmer, S. Monetha & K. Oschatz
- 16–20.9. 07 Essen Vortrag beim 3. Kongress der Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD): Kompetenzen, Kompetenzmodelle, Kompetenzentwicklung. Empirische Forschung in den Fachdidaktiken; (2007): Online-Diskurs „BioTalk“: „Vorstellungen und Phantasien Hamburger Jugendlicher zur Grünen Gentechnik“
Gebhard, U., Dittmer, A.
- 16–20.9. 07 Essen Vortrag beim 3. Kongress der Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD): Kompetenzen, Kompetenzmodelle, Kompetenzentwicklung. Empirische Forschung in den Fachdidaktiken; (2007): „Intuitive Schülervorstellungen (Alltagsphantasien) und Motivation“
Monetha, S., Gebhard, U.
- 21-22.9.07 Hamburg Vorstellung des Projektes bei der 4. Hamburger Sommerschule der Erziehungswissenschaft; „Die Bedeutung intuitiver Vorstellungen für Lernprozesse“
Oschatz, K.
- 23-25.3.07 Bielefeld Vorstellung des Projekts bei der 9. Frühjahrs-Schule der Sektion Biologiedidaktik im Verband Deutscher Biologen, Universität Bielefeld ; „Die Bedeutung intuitiver Vorstellungen für Conceptual Change (Postervortrag)“
Oschatz, K.
- 3.12.07 Hamburg Vortrag in der Ringvorlesung des Graduiertenkollegs „Bildungsgangforschung“: „Alltagsphantasien und Motivation“
Monetha, S. & Gebhard, U.
- (2008): Zum Einfluss von intuitiven Vorstellungen auf Motivation und Lernleistung. In: U. Harms, A. Sandmann (Hrg.): Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik, Bd. 3, Innsbruck: Studienverlag, 123-140
Monetha, S., Gebhard, U.
- 19.-20.9.08 Hamburg: „Zum Zusammenhang von persönlicher Epistemologie und Alltagsphantasien bei Lernprozessen“, Vortrag, 5. Hamburger Sommerschule der Fakultät EPB, Universität Hamburg
Oschatz, K.
- 29.2.-2.3.08 Hannover Vorstellung des Projektes bei der 10. Frühjahrs-Schule der Sektion Biologiedidaktik im Verband Deutscher Biologen, Universität Hannover; „Effekte der Reflexion intuitiven Wissens“
Oschatz, K.
- (2009). Alltagsmythen und Alltagsphantasien. Wie sich durch die Gentechnik das Menschenbild verändert. In: S. Dungs, U. Gerber, E. Mührel (Hrsg.): Biotechnologie in Kontexten der Sozial- und Gesundheitsberufe. Frankfurt/M., 191-220
Gebhard, U.
- (2009). Alltagsphantasien, Motivation und Lernleistung. Opladen: Budrich
Monetha, S.
- (2009). Irritation als Chance? – Die Effekte der Berücksichtigung intuitiver Vorstellungen beim Nachdenken über biologische Inhalte. In: Tagungsband des FDdB, Kiel
Oschatz, K., Gebhard, U. & Mielke R.
- (2009): Irritation und Phantasie. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 3
Combe, A. & Gebhard, U.
- 13.6.09 Hamburg: „Kommt das Bauchgefühl wirklich aus dem Bauch?“, Tag der Antworten bei der Open Uni der Universität Hamburg
Dittmer, Gebhard, Mielke, Oschatz
- 21.-25.9.09 Kiel:„Irritation als Chance? - Die Effekte der Berücksichtigung intuitiver Vorstellungen beim Nachdenken über biologische Inhalte”. Vortrag bei der Internationalen Tagung der der Fachsektion Didaktik der Biologie (FDdB) im Vbio 2009
Oschatz, K., Gebhard, U. & Mielke, R.
- 22.-25.5.09 San Francisco: „Including intuitive ideas in reflective thinking” Postervortrag bei der 21st Annual (USA) Convention der Association for Psychological Science (APS)
Mielke, R. & Oschatz, K.
- 23.-25.3.09 Landau: „Intuition und Reflexion – Effekte der Einbeziehung intuitiver Ideen in das Nachdenken“, Vortrag, 72. Tagung der Arbeitsgruppe für empirische pädagogische Forschung (AEPF), Universität Koblenz-Landau
Oschatz, K.
- 27.6.09 Wien: „Alltagsphantasien“, Workshop an der Universität Wien
Gebhard, U.
- 31.8.-4.9.09 Istanbul: „Thinking about Sciences – The effects of (Türkei) including intuitive ideas”. Vortrag bei der Conference 2009 of the European Science Education Research Association (ESERA)
Oschatz, K.
- 6.-8.3.09 Marburg: “Irritation als Chance nachhaltigen Lernens?“, Vortrag, 11. Frühjahrsschule der Sektion Biologiedidaktik im Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (FJS, Vbio), Universität Giessen
Oschatz, K.
- 7.11.09 Hamburg: „Kommt das Bauchgefühl wirklich aus dem Bauch?“, Universität Hamburg, Nacht des Wissens
Dittmer, Gebhard, Mielke, Oschatz
- Januar 09 Oldenburg: „Der Ansatz der Alltagsphantasien“, Vortrag Universität Oldenburg
Gebhard, U.