Erklärung und Analyse epistemischer Werte
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Mittelpunkt des durchgeführten Projekt standen zwei Leitfragen: (i) Was ist epistemisch wertvoll? (ii) Warum ist Wissen wertvoller als wahre Meinung? Das Hauptziel des ersten Projektbereichs bestand darin, eine operationalisierbare Definition für epistemische Werte zu entwickeln und die sich daraus ergebenden Anschlussfragen zu klären. Ziel des zweiten Projektteils war die Analyse komparativer Werturteile mit besonderem Nachdruck auf die Erklärung des Mehrwerts von Wissen. Im Einzelnen konnten folgende Arbeitsergebnisse erzielt werden: Erster Projektteil: • Entwicklung einer operationalisierbaren Definition (relativer) epistemischer Werte auf der Basis einer generischen (FA)-Analyse der allgemeinen Erklärung von Werten. • Modifizierung der Standarderklärung epistemischer Signifikanz („Neugier“-Ansatz) im Hinblick auf drei Komponenten: (i) Art des Informationsinteresses (Relation zwischen Fragen und Antworten), (ii) Charakterisierung des motivationalen Aspekts des epistemischen Interesses (Form der relevanten Pro-Einstellungen) und (iii) Erklärung der metaphysischen Fundierung (transkategoriale Bestimmung epistemischer Finalität). • Entwicklung einer „argument-from-value strategy“ der Erklärung des Zusammenhangs von Wissen und Praxis einschließlich der Verteidigung eines moderaten Purismus bezüglich der Annahme von irreduziblen epistemischen Zielen. • Ausarbeitung einer Cluster-Konzeption epistemischer Normativität, der zur Folge sich eine Erkenntnispraxis aus externen epistemischen Zielen und damit korrespondierenden doxastischen Normen (d.h. inhärenten Zielen bezüglich der Angemessenheit entsprechender Wertschätzungen) zusammensetzt. • Einzelanalyse epistemisches Verstehens: Entwicklung eines zweidimensionalen Ansatzes epistemischen Verstehens, wonach das Erfassen einer Erklärung im Sinne der „einfachen Sichtweise“ eine Form des (interrogativen) propositionalen Verstehens ist, wobei das Erfassen derjenigen Objekte, deren explanatorischer Zusammenhang im Rahmen der modifizierten Standarderklärung epistemischer Signifikanz interrogativ zu analysieren ist, gleichzeitig in einem nicht-interrogativen objektualen Verstehen der betreffenden Relata (im Sinne der Bekanntheit mit diesen Objekten) fundiert ist. • Einzelanalyse Weisheit als epistemisches Ziel: Ausarbeitung eines hybriden Ansatzes, wonach die Bedingungen unter denen eine weise kognitive Aktivität einen epistemischen Wert erlangt, variieren können, je nachdem, ob epistemisches Verstehen oder Wissen-wie das leitende Ziel der Untersuchung ist. Zweiter Projektteil: • Unter Berücksichtigung der in Anspruch genommenen generischen (FA)-Analyse von Werten konnte gezeigt werden, dass es eine relativ einfache expressivistische Lösung für das sog. Menon-Problem („Warum ist Wissen wertvoller als wahre Meinung“) gibt. • Gleichzeitig wurde deutlich gemacht, dass ein expressivistischer Ansatz – der nach Ansicht des Projekts am ehesten in der Lage ist das sog. zweite Wertproblem („Warum ist Wissen wertvoller alles was unter Wissen fällt“) zu lösen – verschiedene (weitere) Anforderungen an eine adäquate Erklärung des Mehrwerts von Wissen nicht erfüllt. In diesem Zusammenhang wurde ein neues „generalisiertes Wertproblem“ („Warum sind einige epistemische Zustände manchmal wertvoller als andere“) in die Diskussion eingebracht. • Das Projekt hat zudem einen Vorschlag zur Lösung des „swamping“-Problems erarbeitet, der sich unmittelbar aus der vorgeschlagenen Definition von (relativen) epistemischen Werten ergibt. Demnach müssen zur Erklärung des Mehrwerts die normativen Bedingungen herangezogen werden, unter denen entsprechende Werteeinstellungen (relativ zum jeweiligen Ziel der Untersuchung) angemessen erscheinen. • Schließlich wurde ein alternativer Ansatz der Erklärung des Mehrwerts von Wissen entwickelt, wonach Wissen und wahre Meinung vor allem deshalb einen unterschiedlichen epistemischen Wert besitzen, weil sie als kognitive Aktivitäten einen verschiedenen Stellenwert in Bezug auf die Ziele und Normen der Erkenntnispraxis aufweisen. Demnach besitzt Wissen einen relativen Mehrwert, der sich aus der jeweiligen Rolle erklärt, die dieser Zustand innerhalb einer bestimmten Untersuchung spielt. Der Vorteil der vorgeschlagenen Erklärung des Mehrwerts von Wissen liegt darin, dass sie – im Gegensatz zu ihren Mitkonkurrenten – auch auf andere Arten von komparativen Werturteilen anwendbar ist. Damit ist es prinzipiell möglich, den Fokus der Wertanalyse auf interrogative und soziale Formen der Zuschreibung epistemischer Einstellungen zu erweitern.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2012). Expressivismus und der (relative) Wert des Wissens, in: Dresden Preprints In Theoretical Philosophy And Philosophical Logic, Issue 40, 1-29. [Kurzfassung: „Expressivismus und der (relative) Wert des Wissens“, in: Beiträge des 34. Internationalen Wittgenstein Symposiums, hgg. v. Ch. Jäger/ W. Löffler, Kirchberg am Wechsel 2012, S. 263-265.]
Schmechtig, P.
- (2013). Interrogative Formen des Wissens und reduktiver Intellektualismus, in: Was dürfen wir glauben? Was sollen wir tun? Sektionsbeiträge des 8. internationalen Kongresses der Gesellschaft für Analytische Philosophie, eds. M. Hoeltje, T. Spitzley and W. Spohn, DuEPublico, 372-391
Schmechtig, P.
- (2013). Kants Werttheorie? Versuch einer Rekonstruktion, in: Kant-Studien 104, 321-345
Schönrich, G.
- (2014). Final Values and Grounding, in: Papers of the 37th International Wittgenstein Symposium “Analytical and Continental Philosophy: Methods and Perspectives”, eds. S. Rinofner-Kreidl and H. Wiltsche, Kirchberg am Wechsel (2014), S. 242-44
Schmechtig, P.
- (2015). Ist Weisheit ein epistemisches Ziel?, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 69.4 (2015): 526-549
Schmechtig, P.
- (2015). Würde, Wert und rationale Selbstliebe, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 69, 127-158
Schönrich, G.
(Siehe online unter https://doi.org/10.3196/004433015815493802) - Epistemic Reasons, Norms, and Goals, Berlin & Boston: DeGruyter, 2016. 462 S. - 9783110496345
Schmechtig, P. (with M. Grajner) (eds.)