Einfluss von Polysialinsäure auf das angeborene Immunsystem im männlichen und weiblichen Reproduktionstrakt
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Als terminale Zuckerreste von Glykokonjugaten spielen Sialinsäuren und deren Polymere bei zahlreichen immunologischen Prozessen eine entscheidende Rolle. Beim Forschungsvorhaben stand vor allem die Interaktion von Polysialinäure (PolySia) mit antimikrobiellen Molekülen und die Auswirkungen auf deren Aktivität sowie deren funktionelle Rolle bei der Formation und biologischen Aktivität von neutrophil extracellular traps (NET) im Fokus. Bei NET handelt es sich um DNA-Fasern, die nach Aktivierung von Neutrophilen, freigesetzt werden, um pathogene Keime zu fangen und abzutöten. NET ist dabei mit zahlreichen antimikrobiellen Molekülen, wie z.B. Histone und Lactoferrin besetzt, damit innerhalb eines abgegrenzten Raums hohe Konzentrationen an antimikrobiellen Biomolekülen entstehen können. Diese Biomoleküle sind aber oft auch für körpereigene Zellen toxisch. Eine dominante Rolle nehmen hier extrazelluläre Histone ein. Aus diesem Grund wird NET z.B. in Verbindung mit Infertilität gebracht, da es nach der Kopulation zur Rekrutierung von Neutrophilen und zur Bildung von NET durch begleitende Keime aber auch Spermien kommen kann. In vorrangegangenen Arbeiten konnten wir zeigen, dass Ejakulate Sialinsäurepolymere enthalten, die den zytotoxischen Eigenschaften von Histonkomplexen entgegenwirken können und waren an weiteren biologischen Funktionen in diesem Zusammenhang interessiert. Untersuchungen dieses Antrags ergaben, dass zahlreiche antimikrobielle Moleküle in Abhängigkeit der Kettenlänge von PolySia gebunden werden können. Darunter waren z.B. Lactoferrin, die einzelnen Kernhistone H2A, H2B, H3 und H4 sowie weitere antimikrobielle Peptide. Im Falle von Lactoferrin wird dabei die Interaktion durch die Lactoferricin (LFcin) enthaltende Domäne von Lactoferrin initiiert. Lactoferrin hat zahlreiche Funktionen innerhalb des angeborenen Immunsystems, wobei die wohl bekannteste die Komplexierung von Eisen ist, um so dem Wachstum von Bakterien entgegenzuwirken. Eine weitere Funktion ist jedoch die Inhibition der Freisetzung von NET. Dabei formen diese Proteine eine Art protektive Hülle um aktivierte Neutrophile. Wir beobachteten, dass durch PolySia dieser Effekt verstärkt wird, was wohl durch eine Stabilisierung der „Lactoferrin-Hülle“ ermöglicht wird. Darüber hinaus moduliert PolySia die Präsenz von Lactoferrin in NET. Sowohl DNA als auch PolySia interagieren mit der LFcin Domäne. Uns war es über den Einsatz von PolySia möglich, in bereits beladene NET-Fasern weiteres/externes Lactoferrin anzureichern. So könnte ermöglicht werden, neues Lactoferrin zu integrieren und bereits mit Eisen beladene Moleküle auszuschleusen, damit innerhalb von NET geringe Eisenkonzentrationen aufrechterhalten werden können. Die Interaktionsdomäne für PolySia, LFcin, kann aber auch abgespalten werden und besitzt ebenso wie Histone antimikrobielle Eigenschaften. Diese werden jedoch durch die Interaktion mit PolySia weder positiv noch negativ beeinflusst. Gleiches gilt für die lysinreichen Histone H1, H2A und H2B. H2A und H2B bilden mit ca. 70% die Hauptproteinfraktion in NET. Während deren zytotoxischen Eigenschaften gegenüber körpereigenen Zellen durch PolySia inhibiert wird, werden deren antimikrobiellen Eigenschaften gar nicht oder nur marginal beeinflusst. Da Sialinsäuren und deren Polymere immunmodulatorische Funktionen haben, sollte zudem deren Einfluss im Zusammenhang mit einer Nebenhodenentzündung untersucht werden. Sowohl in einem Mausmodell als auch bei Patienten kam es durch die Infektion zu einem massiven Abbau von sialylierten Zuckerstrukturen. Es zeigte sich, dass dies durch die Aktivierung von Sialidasen der Spermien hervorgerufen wird. Somit werden wohl sialinsäureabhängige Prozesse, die gegen eine exzessive Aktivierung des Immunsystems wirken, ausgehebelt. Vergleichbares wurde im Mausmodel für eine durch Bakterien hervorgerufene Sepsis von anderen Arbeitsgruppen beobachtet. Hier wird jedoch die Sialidase als bestimmender Virulenzfaktor von den Bakterien gebildet. Bei einer Nebenhodenentzündung wird hingegen die körpereigene Sialidase als Virulenzfaktor genutzt. Zudem wurden zervikale Mucine untersucht, die Sialinsäureketten aufweisen. Zum einem wurden die vorhandenen Ketten in vitro mit bakteriellen Polysialyltransferasen verlängert, was zur Potenzierung ihrer protektiven Wirkung gegen die Zytotoxizität von extrazellulären Histone führt und zum anderen konnte gezeigt werden, dass native Mucine aus der Zervix in einem sialinsäureabhängigen Mechanismus die Aktivierung von Neutrophilen und die Bildung von NET inhibieren. Somit wird möglicherweise eine exzessive NET-Formation sowohl von der männlichen als auch von der weiblichen Seite über sialinsäurevermittelte Prozesse verhindert, um die Fertilität sicherzustellen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2016). Desialylation of spermatozoa and epithelial cell glycocalyx is a consequence of bacterial infection of the epididymis. Journal of Biological Chemistry, 291, 17717-17726
Khosravi F., Michel V., Galuska C.E., Bhushan S., Christian P., Schuppe H.C., Pilatz A., Galuska S.P., Meinhardt A.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1074/jbc.M116.718072) - (2017). In vitro generation of polysialylated cervical mucins by bacterial polysialyltransferases to counteract cytotoxicity of extracellular histones. FEBS Journal, 284, 1688-1699
Galuska S.P., Galuska C.E., Tharmalingam T., Zlatina K., Prem G., Husejnov F.C.O., Rudd P.M., Vann W.F., Reid C., Vionnet J., Gallagher M.E., Carrington F.A., Hassett S.L., Carrington S.D.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/febs.14073) - (2017). Individual Impact of Distinct Polysialic Acid Chain Lengths on the Cytotoxicity of Histone H1, H2A, H2B, H3 and H4. Polymers, 9: 720
Zlatina, K., T. Lütteke, and S. P. Galuska
(Siehe online unter https://doi.org/10.3390/polym9120720) - (2018). Polysialic acid modulates only the antimicrobial properties of distinct histones. ACS Omega, 4, 1601-1610
Zlatina K. and Galuska S.P.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1021/acsomega.8b02222) - (2019). Polysialic acid interacts with lactoferrin and supports its activity to inhibit the release of neutrophil extracellular traps. Carbohydrate Polymers, 208, 32-41
Kühnle, A.; Veelken, R.; Galuska, C.E.; Saftenberger, M.; Verleih, M.; Schuppe, H.-C.; Rudloff, S.; Kunz, C.; Galuska, S.P.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.carbpol.2018.12.033) - (2019). Polysialic acid modulates the binding of external lactoferrin in neutrophil extracellular traps. Biology, 8
Kühnle A., Lütteke T., Bornhöfft K.F., Galuska S.P.
(Siehe online unter https://doi.org/10.3390/biology8020020)