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Turin - Die Erfindung der Hauptstadt. Die Frühphase des Ausbaus zur Residenz der Savoyer dokumentiert durch bislang unbekannte Architekturzeichnungen.

Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2011 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 193639958
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt befasste sich mit der Bearbeitung eines neu aufgefundenen Zeichnungskonvoluts aus der Staatlichen Graphischen Sammlung in München. Auf den Blättern werden zentrale Bauten Turins im Zeitraum des Ausbaus zur piemontesischen Hauptstadt nach 1563 bis ins 17. Jahrhundert dargestellt. Neben Entwürfen für in der Stadt als herrschaftliche Symbole errichtete Kirchen- oder Klosterbauten, enthält der Fund Pläne für das Residenzschloss und die benachbarte Kapelle für das Heilige Grabtuch, der bedeutendsten dynastischen Reliquie des Hauses Savoyen. Als Kernpunkt der zahlreichen Baumaßnahmen in der neuen Residenz- und Hauptstadt entstand im Stadtzentrum eine Kombination von Herrscherpalast, Kathedrale und Staatsreliquienkapelle, die sinnfällig zu einer Einheit verschmolzen. Neu aufgefundene Entwürfe für Turin belegen exemplarisch den Ausbau der zu Beginn der Frühen Neuzeit kleinen, wirtschaftlich unbedeutenden Provinzstadt zur ersten europäischen Hauptstadt im modernen Sinn. Die anfängliche Phase der militärischen Sicherung der neuen Residenzstadt kann an Entwürfen für die Zitadelle und ein Stadttor nachvollzogen werden. Grund- und Aufrisse für Kirchen und Klöster belegen in der Zeit der Gegenreformation die umfangreiche Stiftungstätigkeit der Dynastie, die vom Papsttum als Bollwerk gegen den Protestantismus im Norden geschätzt wurde. Weitere neu gefundene Pläne ermöglichen nun den Ausbau des Palastareals in der Stadtmitte – besonders des nicht erhaltenen Flügels am Domplatz – differenzierter zu beurteilen und die Planungsprozesse mit zahlreichen wieder verworfenen Alternativen besser zu verstehen. Ähnlich komplex stellt sich auch der Planungsprozess für die Kapelle des Heiligen Grabtuchs dar. Nachdem aus finanziellen Gründen ein eigenständiger Kirchenbau verworfen worden war, schien die Anordnung des Baus am Chorhaupt zwischen Dom und einem Flügel des neu entstehenden Palazzo Reale eine gute Wahl. Dieser Ort ermöglichte die Kontrolle der Herzöge über die im Besitz des Hauses befindliche Reliquie ebenso wie deren Zugänglichkeit für die Anbetung der Gläubigen aus dem Dom. Die daraus resultierenden geometrischen Probleme führten zu einer langen Planungszeit mit zahlreichen Unterbrechungen, wie an verschiedenen neu aufgefundenen Entwürfen aus der Frühzeit der Planung abgelesen werden kann. Erst der Anstoß Kardinal Maurizios von Savoyen führte Mitte des Jahrhunderts zwar zur Ablehnung der nun wiedergefundenen Planungen des Hofarchitekten Amedeo di Castellamonte, letztlich jedoch zur gebilligten Planung des Bildhauers Bernardino Quadris, nach dessen Vorgaben der Bau entstand. Die Tambourzone und Kuppel wurde aufgrund statischer Probleme vom Architekten Guarini geplant und vollendet. Ein System von dem Zentrum zugeordneten Platz- und Straßenachsen belegen das Bestreben der Herzöge, eine dem sich entwickelnden Absolutismus analoge Stadtform zu entwickeln, welche die herzogliche Macht in Form von gleichförmiger Bebauung in die gesamte Stadt ausstrahlen lässt. Nichtsdestotrotz war die Stadtentwicklung besonders in den frühen Jahren von den militärischen Notwendigkeiten geprägt. So ist der Einfluss der Befestigungsanlagen auf die Binnenstruktur nicht zu gering zu bewerten, da sie in der Regel geordnete Straßenraster wie auch im Falle Turins nach sich ziehen, das als zeitgenössisches Ideal überaus gelobt wurde.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Die Planungsgeschichte der Kapelle des Grabtuchs in Turin – Ein neuer Zeichnungsfund, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 37, 2010, S. 183-208
    Albrecht, Stephan
  • Gebaute Geschichte in Turin, in: Online-Zeitschrift Kunsttexte.de, Nr. 1, 2014
    Wilke, Thomas
 
 

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