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Interethnische Freundschaften und familiale Individuationsprozesse bei türkischen Jugendlichen

Fachliche Zuordnung Bildungssysteme und Bildungsinstitutionen
Förderung Förderung von 2005 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 19001413
 
Das geplante Projekt knüpft an die Vorgänger-Studie zur Entstehung, Gestalt und Auswirkungen interethnischer Freundschaften an (»Die Genese interethnischer Freundschaften in der Adoleszenz und ihre Zusammenhänge zur sozialen Identität bei deutschen und türkischen Jugendlichen «; Az. Re1569/3-1). In diesem Projekt konnten Zusammenhänge zwischen der ethnischen Komposition der Freundschaft und Variablen der sozialen Identität nur für Jugendliche deutscher Herkunft nachgewiesen werden. Für Jugendliche nicht-deutscher Herkunft konnten keine systematischen Befunde ermittelt werden. Der Grund hierfür ist, dass interethnische Freundschaften von Minoritätsjugendlichen nicht im Kontext des Akkulturationsprozesses der Herkunftsfamilie betrachtet wurden. Im Vordergrund steht deshalb im beantragten Projekt die Frage, wie sich interethnische im Vergleich zu intraethnischen Freundschaften bei Jugendlichen nicht-deutscher Herkunft auf die Aushandlung von Autonomie und Kontrolle in der Herkunftsfamilie auswirken. Auf der Basis der Individuationstheorie (Youniss, 1980) wird postuliert, dass Familien am Übergang von der Kindheit zur Jugend vor die Aufgabe gestellt sind, das Verhältnis von Autonomie des Jugendlichen und elterlicher Kontrolle neu auszutarieren, um das innerfamiliale Beziehungsgefüge aufrecht erhalten zu können. Da die Individuationstheorie Erfahrungen Jugendlicher mit Gleichaltrigen als Anlass für die Neuverhandlung von Autonomie und Kontrolle in der Familie konzipiert, wird untersucht, ob inter- im Vergleich zu intraethnischen Freundschaften in unterschiedlicher Weise auf diesen Aushandlungsprozess Einfluss nehmen. Für das geplante Projekt wird die Individuationstheorie an die besonderen Bedingungen von Familien mit Migrationshintergrund angepasst. Erhalten bleibt die Kernthese, dass Peer- Erfahrungen (unabhängige Variable) den Familienzusammenhalt (abhängige Variable) beeinflussen. Konflikte, die aus dem Aufeinandertreffen von jugendlichem Autonomiestreben und elterlicher Kontrolle resultieren, moderieren diesen Prozess. Die Individuationstheorie wird im Wesentlichen bei den beiden Moderatorvariablen Autonomie und Kontrolle angepasst. Autonomie und Kontrolle werden in Anlehnung an Befunde der kulturvergleichenden Forschung jeweils nach psychologisch-emotionaler und ökonomisch-utilitaristischer Autonomie bzw. Kontrolle differenziert (Nauck, 2000). Auf diese Weise kann der Individuationsprozess in Migrantenfamilien unter Beachtung von deren kulturspezifischen Wertekonfigurationen analysiert werden. Aus der modifizierten Individuationstheorie wird die Kernthese abgeleitet, dass interethnische Freundschaften ¿ unter angebbaren Bedingungen ¿ den Konflikt zwischen jugendlichem Autonomiestreben und elterlicher Kontrolle verstärken werden und auf diese Weise den Familienzusammenhalt beeinträchtigen. Zur Überprüfung der Theorie wird eine längsschnittlich angelegte Fragebogenstudie durchgeführt. Sie ist auf drei Messzeitpunkte mit halbjährlichem Befragungsabstand angelegt und umfasst in einem Kohorten-Sequenz-Design die 7. bis 9. Jahrgangsstufe. Als Zielgruppe werden Jugendliche türkischer Herkunft untersucht. Als Vergleichsgruppen werden Jugendliche italienischer Herkunft sowie Jugendliche deutscher Herkunft in das Design einbezogen. Es werden die zentralen Konstrukte der Theorie erfasst, deren Veränderungen über die Zeit gemessen und die Annahmen der Theorie geprüft. Auf diese Weise sollen Erkenntnisse über den Einfluss interethnischer Freundschaften auf den Individuationsprozess in türkischen Familien gewonnen werden, die über die bisherige Befundlage hinausgehen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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