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Digitalisierung, Erschließung, Publikation und Auswertung der unveröffentlichten Lebenserinnerungen von Günther Tessmann aus den Beständen der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck
Antragsteller
Professor Dr. Karl-Heinz Kohl
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2010 bis 2015
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 179342412
Im Archiv der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck lagern die Lebenserinnerungen des Forschungsreisenden Günther Tessmann (1884-1969), der, obwohl nicht als Ethnologe ausgebildet, als einer der Begründer der langdauernden stationären Feldforschung gilt. Die handschriftlichen Aufzeichnungen in zwölf Bänden dokumentieren Tessmanns Kindheit und Jugend sowie seine langjährigen Forschungsaufenthalte in Afrika (West- und Zentralafrika) und Südamerika (Peru und Brasilien). Seine ethnobotanischen und -zoologischen Untersuchungen gelten, ebenso wie seine Auseinandersetzung mit der Problematik des Kulturwandels, als Pionierleistungen in der Ethnologie. Mit grundlegenden Monographien über die Ethnien der Fang, Bubi, Baja und Bafia sowie über die Indianer Nordost-Perus machte er sich einen Namen. Seine Lebenserinnerungen, die mit zahlreichen Fotografien, Zeichnungen, kleinen Aquarellen, Kartenausschnitten, Souvenirs und Dokumenten versehen sind, geben Aufschluss sowohl über die wissenschaftsgeschichtlichen Voraussetzungen, die Motive und den Ablauf, als auch über die Erfolge und Misserfolge seiner Forschungsreisen. Außerdem enthalten sie Hintergrundinformationen zu Tessmanns Forschungsstrategien, seinem Forschungsethos, seiner Einstellung gegenüber der indigenen Bevölkerung in Afrika und Südamerika sowie zur kulturgeschichtlichen Bedeutung seiner ethnographischen Sammlungsstücke. Insbesondere die selbstreflexiven Feldforschungsberichte in den Erinnerungen Tessmanns stellen wichtiges Material für die Diskussion von erkenntnistheoretischen, methodischen und wissenschaftspolitischen Fragen dar. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit steht die Transkription der etwa 3600 Seiten umfassenden Lebenserinnerungen, die Kommentierung in Form von Anmerkungen und die Digitalisierung der bisher nur archivalisch erfassten Texte Tessmanns mit dem Ziel einer Publikation in fünf Bänden und dem Zugang aller Originalseiten im Netz. Die Veröffentlichung der Lebenserinnerungen leistet einen wesentlichen Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte der Ethnologie, zur Aufarbeitung der Kolonialzeit sowie zur Geschichte Kameruns, Äquatorialguineas, Perus, Brasiliens bzw. zur Geschichte der Ethnien Fang, Bubi, Baja und Bafia. Das aufereitete kommentierte Quellenmaterial wird sich für viele weitere Fragestellungen als hilfreich erweisen, u.a. für Themen wie beispielsweise "die Wahrnehmung des Fremden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts" und "Sammelstrategien".
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen