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Die spätbronze- und früheisenzeitliche Gesellschaft am Niederrhein im Spiegel ihrer Bestattungen - eine interdisziplinäre Untersuchung

Antragstellerin Dr. Julia Rücker
Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 174141322
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Rahmen des Projektes wird erstmals eine Untersuchung zu den spätbronze- und früheisenzeitlichen Bestattungssitten und den daraus ableitbaren Sozialstrukturen am südlichen Niederrhein vorgelegt. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Korrelation der Grabtypen und –ausstattungen mit den anthropologischen Daten zu Alter und Geschlecht der Toten und besitzt dadurch eine wichtige, interdisziplinäre Komponente. Als Basisgräberfelder dienen die Fundplätze von Düren-Merken und Düren-Luchem, die mit 21 Gräberfeldern der Region kontextualisiert werden. Der Vergleich gewährleistet eine ausgewogene Analyse des Grabbrauchs und seines zeitlichen Wandels innerhalb der Region. Zusätzlich wurde innerhalb eines Arbeitskreises eine neue Keramiktypologie für das gesamte nördliche Rheinland erarbeitet und publiziert. Sie ist die Grundlage für die Datierung der Gräber und die weiterführenden Analysen. Darüber hinaus wird sie innerhalb des Faches nicht nur als Bestimmungshandbuch eine Arbeitserleichterung darstellen, sondern als längst überfällige Arbeitsgrundlage dienen, die neue Möglichkeiten für die Erforschung dieser Zeitepoche eröffnet. Die Bestattungssitten der spätbronze- und früheisenzeitlichen Gesellschaft am südlichen Niederrhein unterliegen trotz einiger Kontinuitäten einer deutlichen Entwicklung, die stark durch die südlich angrenzende Hallstattkultur des Mittelrheingebietes beeinflusst wird. Räumlich betrachtet nimmt dieser Einfluss zur nördlichen Peripherie des Arbeitsgebietes hin spürbar ab. Während am Ende der Spätbronzezeit (Ha B) die Bestattung in sehr großen Urnen mit z.T. umfangreichen Trinkgeschirrinventaren eine Neuerung innerhalb der traditionell genormten Grabausstattung darstellt, kann ein gravierender Wandel der Funeralpraktiken zu Beginn der Frühen Eisenzeit (Ha C) nachgewiesen werden. Dieser Wandel vollzieht sich langsam, ohne scharfe Zäsur und beginnt bereits ab der Übergangszeit von der Spätbronzezeit zur Frühen Eisenzeit (Ha B/C). Im Mittelpunkt der Bestattung steht nun die Verbrennung, die auch die Zeremonie am Grab stärker prägt. Scheiterhaufenreste die in den vorangegangenen Epochen intentionell aus den Gräbern herausgehalten wurden, spielen eine wichtige Rolle beim Bestattungsritual. Auch die übrigen Beigaben überlässt man, zusammen mit den Toten der Zerstörung durch das Feuer, während sie in der Spätbronzezeit unversehrt ins Grab gelegt wurden. Deutlich wird also der Fokus auf die Transformation des Toten und seiner Beigaben durch das Feuer gelegt. Altersspezifika im Bestattungsbrauch, die Hinweise auf die soziale Identität der Bestatteten und die Gesellschaftsstruktur geben, manifestieren sich vor allem an den Kindergräbern aus Düren-Merken. Nachweisbar ist vom Ende der Urnenfelderzeit (Ha B) bis in die frühe Eisenzeit (Ha C – D) eine unterschiedliche Behandlung von infans I und infans II im Bestattungsbrauch. Während infans II wie Erwachsene mit Bronze- und Fleischbeigaben auch in sehr großen Urnen beigesetzt werden, bestattet man infans I beigabenlos in kleinen oder normalgroßen Urnen. Daraus kann gefolgert werden, dass ab einem ungefähren Alter von sechs Jahren ein Individuum als rituell vollwertiges Gesellschaftsmitglied angesehen und bestattet worden ist. Aus dem vollständigen Fehlen von neonati auf allen Gräberfeldern wird gefolgert, dass sie nicht regulär bestattet wurden und sich in Bezug auf die Zugehörigkeit zur Bestattungsgemeinschaft und ihren sozialen Status von den infans I unterschieden. Als soziokulturelle Ursache kann die extrem kurze Lebensdauer der neonati angeführt werden. Dies ist möglicherweise auf jüngere infans I übertragbar, was auch das Kinderdefizit auf den Gräberfeldern erklären würde. Bei den Erwachsenenbestattungen steigt geschlechtsunabhängig mit höherem Lebensalter die Qualität der Grabausstattung, was darauf zurückzuführen ist, dass der Erwerb von sozialem Prestige durch eine längere Lebensdauer begünstigt wird. Ein aufgrund einer besonderen Ausstattung übertragbarer, herausragender sozialer Status spiegelt sich nicht in den Gräbern wider. Auf die Ergebnisse zum metallzeitlichen Bestattungsbrauch, bei denen es sich um Grundlagenforschung handelt und die bislang ein Desiderat darstellten, werden weitere Untersuchungen aufbauen können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Grabsitten und Bestattungsbräuche im Gräberfeld von Düren- Merken. In: Archäologie im Rheinland 2012 (Stuttgart 2013), 95 – 97
    J. Rücker
  • Körperpflege in der Eisenzeit, Archäologie in Deutschland Heft 1/13, 2013, 50
    J. Rücker, F. Willer
  • Die Grabhügel von Brühl-Heide – alte Befunde neu interpretiert. In: Archäologie im Rheinland 2013 (Darmstadt 2014) 88 - 90
    J. Rücker
  • Holzkohle, Bronzeschmelz und Leichenbrand. Forschungen und Analysen zu neu entdeckten und altbekannten Gräberfeldern. In: Th. Otten et. al. (Hrsg.), Archäologie in NRW 2010-2015. Archäologische Landesausstellung Nordrhein-Westfalen ... Schriften zur Bodendenkmalpflege 11,2 (Stuttgart 2015) 50-54
    E. Cott, J. Rücker
 
 

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