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Das "Pruzzenland" als gebrochene Erinnerungsregion. Konstruktion und Repräsentation eines europäischen Geschichtsraums in Deutschland, Polen, Litauen und Russland seit 1900.
Antragstellerin
Professorin Dr. Simone Lässig
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2010 bis 2015
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 173900881
Das Projekt fokussiert mit dem „Pruzzenland“ auf eine Region im nordöstlichen Europa, die unter mehreren Aspekten Ausnahmecharakter und geopolitische Brisanz besitzt: Erstens existierte sie in mehreren historischen Perioden als Exklave und beeinflusst als solche heute auch das Verhältnis der Europäischen Union zu Russland. Zweitens verschoben sich in der Folge des Zweiten Weltkriegs nicht nur die nationalstaatlichen Grenzen, vielmehr kam es auch zu einem nahezu vollständigen „Austausch“ der Bevölkerung. Dies zog drittens tiefgreifende Brüche in den Erinnerungskulturen und Erinnerungspolitiken nach sich. Obgleich derzeit erste Ansätze zu einer Überwindung von gängigen Feindbildern erkennbar sind, stehen sich die nationalen Deutungen der Region und ihrer Geschichte doch bis heute überwiegend konfrontativ und hermetisierend gegenüber. Das Schulbuch ist ein Ort, an dem dies markant zum Ausdruck kommt, denn diesem frühen „Massenmedium“ spricht die Forschung für alle Nationalstaaten eine spezifische identitätsbildende Funktion zu. Das Projekt nutzt diese Quelle, um für die Zeit seit 1900 in einem ersten Schritt zu untersuchen, wie eine europäische Region mit multiplen Zuschreibungen und einer äußerst gebrochenen jüngeren Geschichte über unterschiedliche geschichtspolitische und -kulturelle Narrative konstruiert, national vereinnahmt und repräsentiert worden ist. In einem zweiten Schritt zielt die international vergleichend angelegte Analyse aber auch explizit darauf, die nationalstaatliche Fixierung in den Repräsentationen der einzelnen Schulbücher aufzubrechen und zu transzendieren. Sie tut dies, in dem sie die Aufmerksamkeit explizit auf solche Themen und Topoi lenkt, in denen der transnationale Charakter der Region und die Prägung durch Strukturen langer Dauer jenseits der wechselnden nationalstaatlichen Zugehörigkeit zum Ausdruck kommt. Im Ergebnis sollen damit schon im Rahmen der Analyse nationaler Schulbuchnarrative Ansatzpunkte für eine grenzüberschreitende Perspektive auf die Region ausgelotet werden. Die wissenschaftliche Analyse soll in einem dritten Schritt in den Aufbau einer multilingualen Internet-Plattform münden, die hierfür relevante Quellen präsentiert und damit Impulse für die weitere Forschung wie auch für eine dialogische Erarbeitung europäischer Geschichte im Unterricht geben kann.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Polen
Beteiligte Personen
Professorin Dr. Zoja Jaroszewicz-Piereslawcew; Professor Dr. Andrzej Kopiczko; Dr. Robert Maier