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Grenzüberschreitungen: Die afrokubanische Santeria in Deutschland im Spannungsfeld transnationaler Dynamiken

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2010 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 163091182
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die transnationale Ausbreitung der Santería geht mit einer Retraditionalisierung des ifa-Divinationssystems einher. Kritisiert werden nicht Neubekehrte, sondern Ethik und Praxis der etablierten kubanischen Santería, der Verlust an religiöser Tiefe. Neuorientierung sucht man in der Erinnerung an Gründerväter der Santería oder bei der Yoruba-Herkunftsreligion. In Deutschland bleiben Kubaner den Priestern ihrer Heimat treu. Einige deutsche Anhänger greifen andere Praktiken auf, die etwa über die venezolanische María Lionza-Religion in die Santería und mit Venezolanern nach Deutschland gelangten. Bezüge zur Esoterik sind häufig, die Retraditionalisierung wird mehr als Ergänzung denn als Alternative begriffen. In Kuba kommen die Priester, die Anhänger aus Deutschland initiieren, selten aus alten Santería-Familien. Sie mussten sich das religiöse und rituelle Wissen selbst erst aneignen und befürchten keine Verfälschung der Religion durch un-informierte neue Anhänger. Andere Kreise sehen jedoch in der Kommerzialisierung eine Gefahr für die Religion, die sie durch Rückbesinnen auf ihre afrikanischen Ursprünge rehabilitieren wollen. Es kam zu Polemiken von Befürwortern und Gegnern der Retraditionalisierung, die aber allmählich abnehmen. In Kolumbien sind Cali und Bogotá Zentren der Religion, der wegen Teilnahmen aus Drogenmafia und Politik ein Negativimage anhaftet. Einige kolumbianische Initiierte kehrten der kubanischen Tradition den Rücken und suchten Orientierung bei einem nigerianischen Orakelpriester. In seinem Trainingsinstitut studieren sie die Ifá-Philosophie. Die tradicionalistas sind auf dem Vormarsch, auch wenn die kubanische Variante noch die Mehrheit stellt. In Venezuela besitzt die Santería eine Infrastruktur an Läden, Literatur und Zeitschriften und Kontakte nach Kuba, Kolumbien, Trinidad und Mexiko. Im breiten Spektrum sind auch tradi-cionalistas gut vertreten. Santería ist eher Religion der Mittelklasse, hat aber auch Anhänger in den Armenvierteln von Caracas. oricha-Gottheiten sind in die venezolanische Volksreligion María Lionza eingedrungen, beide Religionen durchdringen sich. Auch Einflüsse aus dem indianischen Schamanismus sind vorhanden. Das Projekt ist die erste Forschung zur Präsenz einer afroamerikanischen Religion in vier unterschiedlichen Ländern. Im Ergebnis lässt sich eine Konstante benennen, die auch den aktuellen Forschungsstand zu afrobrasilianischen Religionen kennzeichnet: Wie beim Candomblé oszilliert auch in der Santería die religiöse Dynamik zwischen ritueller Autonomie einzelner Priester und Kulthäuser und afrikanisierendem Purismus.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010): Candomblé: Eine afrobrasilianische Religion. In: Tworuschka, Udo/Michael Klöcker (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum. 25. Ergänzungslieferung Bd. 4, IX, 21:1-8
    Montoya Bonilla, Yolanda Sol
  • (2010): Santería in Deutschland: Zur Gleichzeitigkeit von Heterogenisierung und Retraditionalisierung einer Religion in der Diaspora. In: Paideuma, Bd. 56: 63–86
    Rossbach de Olmos, Lioba
  • (2011): El triunfo de la razón. Prólogo a un libro sobre la integración tropical. In: Montoya (2011): 'Fazendo-Olhando-Adaptando' (Marburg): 7-15
    Münzel, Mark
  • (2011): Religion und Raum: Dimensionen religiöser Reterritorialisierung der Santería in Deutschland. In: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 136/2: 357–378
    Rossbach de Olmos, Lioba
  • (2011): ’Fazendo, Olhando, Adaptando’. Ilé Oba Sileké: Candomblé brasilero en Berlin. Marburg: Förderverein „Völkerkunde in Marburg“ e.V. (Curupira Workshop, 15). 115 S.
    Montoya Bonilla, Yolanda Sol
 
 

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