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Reale Bodenrenten in Westfalen, 16. bis frühes 20. Jahrhundert

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2009 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 137012357
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Bodenrente bezeichnet das aus der Vermietung des Produktionsfaktors Boden im Hinblick auf die Erzeugung landwirtschaftlicher Güter erzielte Einkommen. Sie wird im vorliegenden Projekt anhand von zeitlich befristeter Geldpacht auf fünf zwischen dem Niederrhein und der mittleren Weser zwischen dem späten 16. Jahrhundert und 1900 untersucht. Die zentralen Befunde beziehen sich auf die institutionelle Entwicklung von Landpacht, auf die Höhe von Pachtzinsen und daraus in Verbindung mit anderen Informationen abgeleiteten Folgerungen zur langfristigen Entwicklung der deutschen Landwirtschaft, sowie zur faktoriellen Einkommensverteilung. Es handelt sich um die erste Studie dieser Art für Deutschland. Vom 18. zum 19. Jahrhundert erfolgte ein institutioneller Wandel von Pachtverhältnissen dahingehend, dass Pachtverträge stärker formalisiert und Pachtzinsen flexibilisiert wurden. Implizite, konventionell fortgeführte Verträge wurden durch explizite, entschiedene Verträge verdrängt. Da Getreidepreise vor 1800 stationär waren, d. h. nach Schocks zu einem langfristigen Mittelwert zurückkehrten, bestand in dieser Zeit allerdings auch kein Anlass, die Mühe einer Neufestsetzung von Vertragsbedingungen an die Hand zu nehmen. Der in der Zeit um 1800 zu beobachtende institutionelle Wandel stand im Zusammenhang mit Bemühungen, Pachtverhältnisse aus paternalistischen Bemühungen zu lösen und verschiedene, bisher miteinander verzahnte Märkte zu entflechten. Ein solcher willentlich gesteuerter Übergang zur Marktgesellschaft war allerdings schwer durchzusetzen, und die Flexibilisierung von Pachtzinsen lenkte auch bestenfalls einen kleinen Teil des Bodenertrags zugunsten der Bodenbesitzer um. Zur langfristigen Agrarentwicklung sind folgende Befunde hervorzuheben: (1) Um 1780 war die technische Effizienz der Produktion (gemessen anhand der Totalen Faktorproduktivität) ähnlich hoch wie im frühen 17. Jahrhundert, während sie in England und im Pariser Becken in diesem Zeitraum um etwa 20% gestiegen war. Dieser Unterschied stellt einen Aspekt der sog. Kleinen Divergenz innerhalb Europas in der Frühen Neuzeit dar. — (2) Eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion war deshalb fast nur durch Mehrarbeit möglich, was einem durch Bevölkerungswachstum getriebenem Verelendungswachstum gleichkommt. Die daraus folgende Verschiebung der Grenzprodukte der Produktionsfaktoren Land und Arbeit kommt darin zum Ausdruck, dass zu Beginn des 17. Jh. knapp 30, in den ersten Dekaden eher um die 40 Tagewerke geleistet werden mussten, um den Ertrag eines Hektar an Nutzland zu kompensieren. — (3) Klimaschwankungen, die Integration von Agrarmärkten sowie die Entwicklung regionaler Exportgewerbe (welche die Nachfrage nach Agrargütern steigerte) stellten beobachtbare, aber in ihrer Bedeutung zweitrangige Faktoren der vormodernen Agrarentwicklung dar. — (4) Wir finden Hinweise darauf, dass (für modernes Wirtschaftswachstum charakteristischer) arbeitsvermehrender technischer Fortschritt in der Landwirtschaft wohl im Zusammenhang mit der ersten Agrarmodernisierung bereits um etwa 1800 einsetzte. Die Einkommensverteilung zwischen Land und Arbeit wurde neben langfristigem Bevölkerungswachstum und der Richtung agrartechnischen Fortschritts vor allem durch zwei große Schocks beeinflusst. Die Bevölkerungsverluste im Dreißigjährigen Krieg sowie die Invasion amerikanischen Getreides in der Globalisierungswelle der 1860er/70er Jahre schwächten jeweils die relative Einkommensposition der Landbesitzer sehr stark. In beiden Fällen zog dies gewichtige, wenn auch sehr unterschiedliche gesamtgesellschaftliche Weiterungen nach sich.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Agricultural Output Growth in a Proto- and Early Industrial Setting. Evidence From Sharecropping in Western Westphalia and the Lower Rhineland, c. 1740–1860, in: Rural History 28, 1 (2017), 21–46
    Kopsidis, Michael / Pfister, Ulrich / Scholten, Friederike / Bracht, Johannes
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1017/S0956793317000012)
  • Behavior and the Lease Market in Westphalia, with a Particular Focus on the 19th Century,
    Bracht, Johannes / Pfister, Ulrich
 
 

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