Emotionsverarbeitung bei Schizophrenie: eine erweiterte Analyse der Bildgebungsdaten mit einem Fokus auf Volumetrie, funktioneller Konnektivität und Mustererkennung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des Projektes wurde die automatische und kontrollierte Verarbeitung emotionaler Mimik bei schizophrenen im Vergleich zu gesunden Probanden und ihre Beziehungen zu sozialem Verhalten und Erleben untersucht. Patienten mit Schizophrenien haben häufig Desinteresse an Sozialkontakt und leben zurückgezogen. Der mimische Ausdruck von Emotionen ist ein zentrales Kommunikationssignal des Menschen, durch das soziale Interaktionen reguliert werden. Mit Hilfe von funktioneller Magnetresonanztomographie bei 3 T wurden die neuronalen Korrelate der Wahrnehmung von Gesichtsausdruck der Basisemotionen Freude, Angst, Wut und Ekel erhoben. Ein affektives Primingexperiment und eine Aufgabe des Betrachtens maskierter (kaum bewusst wahrnehmbarer) und unmaskierter (gut sichtbarer) emotionaler Gesichter wurden zur Erfassung von automatischen und kontrollierten Verarbeitungsprozessen eingesetzt. Zudem erfolgten strukturelle Aufnahmen des Gehirns. 40 schizophrene Patienten (15 Frauen) und 47 gesunde Kontrollprobanden (15 Frauen) nahmen an der Studie teil. Die aktuelle Symptomatik der Patienten wurde mittels Fremdrating erfasst. Allen Probanden wurden Fragebögen zur Erhebung von Affektivität und Merkmalen des sozialen Verhaltens und Erlebens vorgegeben. Im affektiven Primingexperiment wurde initial eine erhöhte Amygdala-Response auf maskierte wütende aber auch maskierte neutrale Mimik bei schizophrenen gegenüber gesunden Probanden festgestellt, die in der Folge stärker abnahm als bei den Gesunden. Beim Betrachten von Angstmimik manifestierten schizophrene Patienten unter unmaskierter nicht aber unter maskierter Darbietungsbedingung eine höhere Amygdala-Aktivierung als Gesunde. Ein flacher Affektausdruck bei den Patienten ging mit einer hohen Amygdala-Response auf maskierte Angstgesichter einher. Für beide Untersuchungsgruppen wurden inverse Zusammenhänge zwischen Insula-Responsivität auf maskierte Ekelmimik und dem Persönlichkeitsmerkmal soziale Verträglichkeit ermittelt. Wie erwartet zeigte sich während der Wahrnehmung emotionaler Mimik eine Veränderung der funktionellen Konnektivität der Amygdala bei schizophrenen gegenüber gesunden Probanden. Patienten wiesen experimentübergreifend eine verringerte Konnektivität der Amygdala zu für die Gesichts- und Affektverarbeitung relevanten Arealen auf. Die Konnektivität der Amygdala zu präfrontalen Hirnregionen hing in der Patientengruppe mit Negativsymptomatik und Variablen des sozialen Erlebens und Verhaltens zusammen. Patienten mit einer stärkeren Konnektivität der Amygdala zu präfrontalen Arealen wiesen weniger Negativsymptome wie flachen Affektausdruck und ein besseres soziales Funktionsniveau auf (geringere soziale Einsamkeit und Interaktionsängste). Eine stärkere Konnektivität zwischen Amygdala und präfrontalem Kortex bei der Wahrnehmung von emotionaler Mimik könnte eine bessere Emotionsregulation während sozialer Interaktionen ermöglichen. Die Befunde der morphometrischen Analysen indizieren entgegen unserer Hypothese keine Unterschiede im Volumen der Amygdala zwischen Patienten und Kontrollen. In der Patientengruppe wurden aber hypothesenkonform Zusammenhänge zwischen Amygdala-Volumen und Negativsymptomen sowie Variablen des sozialen Verhaltens und Erlebens ermittelt. Patienten mit geringerem Amygdala-Volumen manifestierten stärkere affektive Negativsymptome wie flachen Affektausdruck und Anhedonie, tendierten zu Introversion und sozialen Interaktionsängsten und hatten weniger Freude an Kontakten zu Familie und Freunden. Vorliegende fMRI-Daten geben Anhalt für Geschlechtsunterschiede in der Amygdala-Aktivierung bei Wahrnehmung von maskierter und unmaskierter emotionaler Mimik. Männer neigen zu erhöhter Amygdala-Reaktion auf negativen Gesichtsausdruck, wobei es sich primär um einen allgemeinen Effekt des Geschlechts handelt, der nicht spezifisch für schizophrene Patienten erscheint. Die Ergebnisse der explorativen neurogenetischen Analysen erbrachten nur wenig Anhalt für Effekte der Polymorphismen 5-HTTLPR, 5-HT1A-1019C/G, COMT val158met und MAOA-uVNTR auf die Amygdala-Aktivierung während Emotionswahrnehmung. Der BDNF-Val66Met-Polymorphismus erscheint bei schizophrenen gegenüber gesunden Probanden einen gegenläufigen Einfluss auf die neuronale Verarbeitung emotionaler Informationen auszuüben. Im vorliegenden Projekt wurden bei schizophrenen Patienten zahlreiche Auffälligkeiten neuronaler Aktivität und Konnektivität während der automatischen Verarbeitung negativer mimischer Emotionen gegenüber Gesunden festgestellt. Strukturelle und funktionelle Merkmale vor allem der Amygdala waren bei den Patienten mit Negativsymptomen und sozialem Erleben assoziiert. Es lässt sich die Aufgabe ableiten, neuropsychiatrische Interventionsmaßnahmen zur emotionalen Desensitivierung insbesondere von sozial zurückgezogenen Patienten zu entwickeln.