Detailseite
Projekt Druckansicht

Durandus von St. Pourcain (a S. Porciano) und sein Sentenzenkommentar: Kritische Edition und Untersuchung

Fachliche Zuordnung Geschichte der Philosophie
Förderung Förderung von 2005 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 13029271
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Unter den Sentenzenkommentaren am Beginn des 14. Jahrhunderts nimmt derjenige des Dominikanertheologen Durandus von St. Pourçain hinsichtlich seiner Originalität und Bedeutung für die philosophische Mittelalterforschung eine herausragende Stellung ein. Zum einen ist dieser Kommentar ein einzigartiges Dokument für die Debatten innerhalb des Dominikanerordens um die Bedeutung des Thomas von Aquin und die Verbindlichkeit seiner Lehrmeinungen für den Orden. Zum anderen steht der Sentenzenkommentar des Durandus für die wachsende Bedeutung, die dieses Genre am Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts wiedererlangt. Von einem Pflichtstück am Beginn der akademischen Karriere wird der Sentenzenkommentar nunmehr zu einer immer wichtigeren Schriftgattung eines Magisters der Theologie, die ihn seine ganze akademische Karriere über begleitet. Dies hängt nicht zuletzt mit dem universitären Lehrbetrieb zusammen. Das vorliegende Projekt legt die erste neue umfassende Edition eines wichtigen Sentenzenkommentars am Beginn des 14. Jahrhunderts vor und eröffnet damit methodisch und systematisch neue Einblicke in diesen wichtigen universitären Diskurszusammenhang. Das besondere Interesse der Forschung an Durandus‘ Sentenzenkommentar bezog sich auch auf dessen mehrfache Überarbeitung durch den Autor. Im Rahmen des seit Januar 2006 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Durandus-Projekts wurden daher die beiden zwischen 1307/8 und 1310/11 wohl in Paris entstandenen Redaktionen A und B der Bücher I, II und IV des Sentenzenkommentars ediert. Von der dritten in einem Venezianer Frühdruck von 1571 vorliegenden C-Redaktion, die für die Durandus-Rezeption von großer Bedeutung war, wurde parallel eine elektronische Fassung erstellt. Das Durandus-Projekt schließt eine wichtige Lücke in der Erforschung des frühen 14. Jahrhunderts, auf die bereits vor mehr als achtzig Jahren Joseph Koch in seiner bahnbrechenden Studie aufmerksam gemacht hatte. Die philologisch-historische Erschließung der höchst komplexen Textüberlieferung des durandischen Sentenzenkommentars eröffnet zugleich einen differenzierten Einblick in den philosophischen und theologischen Diskurs an der Universität Paris am Anfang des 14. Jahrhunderts und setzt diesen zugleich in Verbindung mit außeruniversitären Diskursen etwa innerhalb des Dominikanerordens oder am päpstlichen Hof in Avignon. Hierbei werden unterschiedliche Modelle für den Umgang mit Dissensen wissenschaftlicher und außerwissenschaftlicher Art deutlich. Darüber hinaus zeigt sich die Originalität des Durandus mit Blick auf einige der meistdiskutierten Fragen der Zeit, etwa zum Wissenschaftscharakter der Theologie, zur Epistemologie und zur Psychologie, aber auch bezüglich der Durandus-Rezeption im Rahmen von Bewusstseinstheorien und Freiheitslehren des 17. Jahrhundert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Die Ablehnung des tätigen Intellekts bei Durandus. Panorama einer Debatte“, in: Per perscrutationem philosophicam. Neue Perspektiven der mittelalterlichen Forschung. Loris Sturlese zum 60. Geburtstag gewidmet, hrsg. von A. Beccarisi/R. Imbach/P. Porro, Hamburg 2008 (CPTMA. Beihefte, 4), 273-291
    T. Jeschke
  • „God’s Unchangeability and the Changeability of Creatures from Bonaventure to Durandus. Scotus in Context“, in: La posterità di Giovanni Duns Scoto = Quaestio. Annuario di storia della metafisica, 8 (2008) [immo 2009], 3-25
    G. Guldentops
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1484/J.QUAESTIO.1.100377)
  • „Durandus von St. Pourçain und sein Sentenzenkommentar: Eine kritische Edition der A- und B-Redaktion“, in: Bulletin de philosophie médiévale 51 (2009), 113-143
    A. Speer
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1484/J.BPM.3.609)
  • „Über natürliche und übernatürliche Gottesliebe. Durandus und einige Dominikaner gegen Jakob von Viterbo (Mit einer Textedition von In III Sententiarum, D. 29, Q. 2 des Petrus de Palude)“, in: Recherches de Théologie et Philosophie médiévales 76/1 (2009), 111-198 (Editionstext 176-198)
    T. Jeschke
    (Siehe online unter https://doi.org/10.2143/RTPM.76.1.2037162)
  • „Durandus modernus? Der Glaube eines (anti-)thomistischen Theologen im Jahr 1308“, in: 1308. Eine Topogaphie historischer Gleichzeitigkeit, hrsg. von A. Speer-D. Wirmer (Miscellanea Mediaevalia, 35), Berlin–New York 2010, 319-339
    G. Guldentops
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110218756.319)
  • „Seligkeitsdebatten um 1308“, in: 1308. Eine Topogaphie historischer Gleichzeitigkeit, hrsg. von A. Speer-D. Wirmer, Berlin–New York 2010 (Miscellanea Mediaevalia, 35), 340-369
    T. Jeschke
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110218756.340)
  • Deus ut tentus vel visus. Die Debatte um die Seligkeit im reflexiven Akt (ca. 1293-1320), Leiden–Boston 2011 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters, 104), xviii + 862 S.
    T. Jeschke
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1163/9789004191884)
  • „Durandus of St. Pourçain’s legitimization of religious (in)tolerance“, in: Universalità della ragione e pluralità delle filosofie nel Medio Evo. Ed. A. Musco, vol. II, 2. Palermo 2012, 639-649
    G. Guldentops
  • „Struggling with authority: Durand of St. Pourçain on the origin of power and on obedience to the Pope“, in: Philosophy and Theology in the Studia of the Religious Orders and at Papal and Royal Courts. Ed. K. Emery, Jr. et al., Turnhout 2012, 107-138
    G. Guldentops
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1484/M.RPM-EB.1.100974)
  • „Thomistic Sacramentology in a Commentary by Durandus of St.-Pourçain. Remarks on a Lectura Secundum Durandum (MS Paris, BnF, lat. 12331)“, in: Recherches de Théologie et Philosophie médiévales 80/2 (2013), 259-305
    T. Jeschke
    (Siehe online unter https://doi.org/10.2143/RTPM.80.2.3005399)
  • „Alcune osservazioni sulle fasi redazionali del Commento al I libro delle Sentenze di Durando di Saint-Pourçain (1270/75-1334)“, in: Studi Filosofici, 39 (2016), 49-68
    M. Perrone
  • „Michael of Massa and the Reaction to Durand of St. Pourçain on the Object of Fruition“, in: Studies in Later Medieval Intellectual History in Honor of William J. Courtenay, ed. by W.O. Duba/R.L. Friedman/C. Schabel (Recherches de Théologie et Philosophie Médiévales. Bibliotheca, 14), Leuven – Paris – Bristol, CT 2017, 285-355
    T. Jeschke / R.L. Friedman
  • „Die Falsche geheiratet? Gratians Lehre vom Irrtum über den Heiratspartner und ihre Rezeption in Sentenzenkommentaren des 13. und frühen 14. Jahrhunderts“, in: Irrtum – Error – Erreur (Miscellanea Mediaevalia 40), hrsg. v. Andreas Speer, Maxime Mauriège, Berlin–Boston 2018, 477-506
    P. Blažek
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110592191-027)
  • Die Lehre von den Seelenpotenzen bei Durandus von Saint-Pourçain. Eine philosophische Psychologie im Übergang vom Hoch- zum Spätmittelalter. Köln 2019
    T. Jeschke
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung