Die Stiersärge von Tell Abu Yasin. Publikation, Kommentar und Analyse der Särge untereinander und im größeren Kontext einer allgemeinen Sargdekoration.
Final Report Abstract
Das über zwei Phasen von der DFG geförderte Projekt "Die Stiersärge von Tell Abû-Yâsînhat" es ermöglicht, daß diese späten Tiersarkophage aus dem Delta in ihrer Gesamtheit publiziert werden können. Abgesehen von der vollständigen Erstpublikation dieses hochinteressanten Ensembles von Tiersärgen kann die Publikation auch eine Neubearbeitung der beiden Texte und Abbildungen liefern, die zuvor schon veröffentlicht waren. Darüber hinaus liefert der Inhalt der Texte eine Menge neues Material zum Kult des lokalen Falkengottes Hormerti, der zu dem Kreis der Gottheiten gehört, deren wichtigstes Merkmal ein Kult ist, bei dem die Augen des Sonnengottes eine zentrale Rolle spielen. Mit den beiden Augen sind Sonne und Mond gemeint, wobei dem Mondauge in diesem Fall eine stärkere Bedeutung zukommt. Letzteres liegt daran, daß der Mond auch eine enge Beziehung zu Osiris hat und Osiris wiederum der zweite wichtige Gott ist, der in den Texten häufig genannt wird. Da die Sarkophage aus einem geschlossenen Komplex kamen und es klar war, daß die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß ein oder vielleicht zwei der sieben Objekte ursprünglich einmal einen vollständigen Sarg gebildet haben, war es am Ende doch überraschend, daß tatsächlich sechs der sieben Objekte drei vollständige Särge bildeten. Nach dem Stand der Untersuchungen scheint es insgesamt drei verschiedene Arten der Dekoration gegeben zu haben: 1) Deckel mit Vertiefung auf der Innenseite und Dekoration, die neben der Göttin Nut und den Stundengöttinnen im Kopfteil hauptsächlich aus Sternuhren bestehen. Die dazugehörige Wanne war innen nicht dekoriert und trug auf der Außenseite lediglich ein Inschriftenband mit Schakalen und weiteren Dekorelementen darüber. Der Boden dieser Wanne ist nicht erhalten. Dieser Typ entspricht äußerlich den monumentalen Sarkophagen, die aus dem Serapeum in Saqqara bekannt waren. 2) Deckel und Sarg mit umfangreicher Dekoration auf der Innenseite, die neben den Göttinnen Nut (und Imentet auf dem Boden), den Stundengöttinnen, den Monatsgottheiten und Dekanlisten auch zahlreiche Göttergruppen und Konstellationen zeigt. Letztere beiden dienten hauptsächlich zum Schutz des verstorbenen Stieres. Besonders auffallend ist bei diesem Sargtyp die sehr umfassend ausgefallene Wiedergabe der Gottheiten, die für die Ecken bzw. Himmelsrichtungen zuständig waren. Neben den Windgöttern, die gleich in drei verschiedenen Formen erscheinen (menschengestaltig mit Tierkopf; Tierkopf auf Tierkörper und mumiengestaltig mit Tierkopf), gibt es noch die vier Himmelskühe, die vier Himmelsstützen, vier Agathodaimonschlangen, vier Paviane mit Mondscheibe und -sichel auf dem Kopf (Mondphasen) oder die vier Horussöhne und die vier Himmelsruder. Bisher gibt es kein Monument, das in dieser Komplexität all diese Gottheiten zusammengefügt hat. Ein weiteres interessantes Ergebnis ist die unterschiedliche Darstellung einer Göttergruppe, die allgemein als „Achtheit“ bekannt ist. Von dieser Göttergruppe gibt es auf den Särgen zwei verschiedene Formen: Zum einen acht Paviane, die die morgendliche Sonne preisen, zum anderen anthropomorphe schlangen- und froschköpfige Gottheiten, die die nächtliche Sonne preisen. Diese Darstellung auf beiden Deckeln lieferte den Schlüssel für eine Analyse zu den Darstellungen der Achtheit auf späten ägyptischen Denkmälern, die in einem Aufsatz publiziert ist. 3) Der letzte Sargtyp, der in Tell Abû-Yâsîn attestiert ist, ist vollständig undekoriert und besteht aus den Särgen, die nach wie vor an ihrem alten Aufstellungsort verblieben sind. Aufgrund ihrer Größe und des Gewichtes hat man davon abgesehen, diese monumentalen Granitobjekte zu versetzen. Bei der Betrachtung der Fundumstände am Ort ist ein Aspekt sicherlich auffallend: Man hat in der Antike ausschließlich die Särge zerteilt, die irgendeine Art von Dekoration aufwiesen. Einen Grund, den man sich vorstellen könnte, der dazu beigetragen haben mag, ist vielleicht in der Beschichtung des Reliefs zu sehen. Es gibt Hinweise, daß die Dekoration mit einem feinen Material überzogen war, um das Relief am Ende besser sichtbar zu machen, möglicherweise diente es als Träger für Blattgold oder eine ähnlich leuchtende Substanz. Der Erhaltungszustand der Sarkophage läßt allerdings heutzutage keine definitive Aussage dazu mehr zu.