Nutztiere sind in der intensiven Landwirtschaft vielen Änderungen in ihrer Umgebung ausgesetzt. Dazu zählen neben neuen Haltungssyslemen z.B. auch die Konfrontation mit neuem Futter oder die wiederholte Neugruppierung mit unbekannten Artgenossen. Darüber hinaus stellt auch die steigende Automatisierung in der Tierhaltung immer höhere kognitive Anforderungen an die Nutztiere. Lernprozesse spielen bei diesen Anpassungsprozessen eine wesentliche Rolle, da erfolgreiches Lernen dazu beiträgt, die Ungewissheit in neuen Situationen zu reduzieren, die Vorhersagbarkeit der Umwelt zu erhöhen und das Belohnungssystem wiederholt stimuliert wird. Durch die Aneignung von Kenntnissen über kognitive Lernleistungen von Nutztieren und deren Berücksichtigung bei der zukünftigen Gestaltung von Haltungsumwelten können diese im Sinne von verbessertem Wohlbefinden der Tiere positiv beeinflusst werden. Im vorliegenden Projekt wurde am Beispiel der Afrikanischen Zwergziege (Capra hircus) untersucht, ob die Tiere offene Kategorien auf der Basis von künstlichen, visuellen Symbole etablieren und ob sie in der Lage sind vom Wissen erfahrener Demonstratoren zu profitieren (soziales Lemen). Außerdem sollten die Auswirkungen von struktureller und kognitiver Umweltanreicherung auf die Lernleistung und das Verhalten der Zwergziegen in extemen Belastungssituationen untersucht werden. In allen drei Projektabschnitten stand den Tieren ein in die Haltungsumwelt integrierter automatischer Lemautomat 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Bei erfolgreicher Bewältigung der angebotenen visuellen vierfach-Diskriminationsaufgaben erhielten die Ziegen als Belohnung Trinkwasser. Die Verwendung dieses 'closed-economy approach' ist einmalig in der Lernforschung bei Nutztieren. Der Lernautomat als kognitive Umweltanreicherung bot den Tieren individuelle Lernbedingungen in der gewohnten sozialen Gruppe ohne menschliche Einflussnahme. Mit Hilfe dieses Versuchsdesigns war es möglich, das individuelle Lernverhallen größerer Gruppen von Zwergziegen gleichzeitig zu untersuchen. Nach einem Training von acht Diskriminationsaufgaben mit Symbolen, die zwei unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden konnten, zeigte sich in den anschließenden Transfer-Tests, dass Zwergziegen in der Lage sind, offene Kategorien unter Verwendung künstlicher visueller 2D-Symbole zu etablieren sowie auch über neue Symbole zu generalisieren. Die Ergebnisse weisen außerdem darauf hin, dass die trainierten Kategorien bereits nach wenigen Trainingsaufgaben etabliert wurden. Das soziale Lernen von visuellen Diskriminationsaufgaben durch Beobachtung erfahrender Demonstratoren konnte durch den durchgeführten Ansatz nicht eindeutig nachgewiesen werden. In Untersuchungskomplex 2 zeigte sich, dass langanhaltende strukturelle Umweltanreicherung zu einer Verbesserung der Lernleistung führt. Außerdem verbesserte sich infolge struktureller als auch kognitiver Umweltanreicherung die Verhaltenskompetenz von Ziegen in externen Belastungssituationen. Strukturelle Umweltanreicherung hatte dabei einen positiven Einfluss auf die generelle Aktivität in einer unbekannten Umgebung, kognitive Umweltanreicherung hatte eine offensive Auseinandersetzung mit neuen Objekten zur Folge. Beide Formen der Umweltanreicherung halten weder einen Einfluss auf den Cortisolgehalt im Speichel (Stressreaktivität), noch auf die Lernleistung der Zwergziegen in einem anderen Kontext (räumliche Lernen). Durch die Kenntnis der kognitiven Fähigkeiten von Nutztieren können automatische Systeme in der Tierhaltung speziell für die jeweilige Tierart angepasst werden, um Stress und Frustration zu vermeiden. Dadurch lässt sich nicht nur das Management der Tiere verbessern. Die Bereitstellung von angemessenen und lösbaren Lernaufgaben bietet den Tieren auch eine verbesserte Kontrolle über zumindest einige Aspekte ihrer Haltungsumwelt. Dadurch werden einerseits die kognitiven Fähigkeiten der Tiere angesprochen und Reizarmut in der Haltung verringert, andererseits wirken sich wiederholte positiv-affektive Zustände im Zusammenhang mit der erfolgreichen Bewältigung der gestellten kognitiven Herausforderungen infolge der wiederholten Aktivierung des Belohnungssystems nachweisbar positiv auf das tierische Wohlbefinden aus. Die vorliegende Arbeit leistet einerseits einen Beitrag zur Grundlagenforschung über kognitive Fähigkeiten von Nutztieren und zeigt andererseits die positiven Auswirkungen von Umweltanreicherungen im Stallalltag auf. Erkenntnisse aus diesem Projekt konnten bereits erfolgreich auf andere Versuchsanstellungen und andere Tierarten übertragen werden.