Die Entstehung eines arabischen Königreichs im hellenisierten Orient: Die Entwicklung von Petra, die Gestaltung des Umlandes und die Kontrolle der Ressourcen - EARLY PETRA
Final Report Abstract
Das deutsch-französische Projekt „Early Petra“ konnte substantielle neue Erkenntnisse zur nabatäischen Frühzeit (4. bis 1. Jh. v.Chr.) der Nabatäerstadt Petra im südlichen Jordanien leisten. Durch zahlreiche Feldprojekte sowie durch die systematische Aufarbeitung älterer Resultate ist es gelungen, einen guten Überblick zur Genese der Stadt zu erhalten. Für eine (bis anhin) erste Phase, die in das 4. und 3. Jh. v.Chr. datiert werden kann, konnten punktuelle Bebauungen entlang dem Wadi Musa, der späteren Hauptachse der Stadt, ausgemacht werden. In einer nächsten Phase (2. – fr. 1. Jh. v.Chr.) dehnt sich die Besiedlung auf die höher gelegenen Hügelzüge aus, bleibt aber beim jetzigen Kenntnisstand relativ verstreut. Für diese, aber auch für die folgende Phase der Stadtentwicklung lässt das auf den ersten Blick beliebige Durcheinander von Wohnbauten, sakralen Installationen und Gräbern Rückschlüsse auf die Bevölkerungsstruktur zu. Es macht den Anschein, dass die Bewohner Petras, trotz der gegen Außen durchaus urbanen Strukturen, weiterhin hauptsächlich in Großfamilien oder Clans organisiert waren. Die zahlreichen Banketträume (aus Stein gebaut, in den Felsen gehauen, aber auch unter freiem Himmel) und die an der Peripherie des Stadtgebietes gehäuft auftretenden Höhenheiligtümer unterstützen diese Annahme. Die Bewohner Petras hielten also trotz der weitgehenden Sedentarisierung an sozialen Strukturen fest, die charakteristisch für nomadisierende Gruppen sind. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist man durchaus geneigt, der von Diodor überlieferten nomadischen Lebensweise der Nabatäer im späten 4. Jahrhundert v.Chr. Glauben zu schenken, bevor oder zum Zeitpunkt als die Sesshaftwerdung langsam einsetzte. Allerdings können der Übergang von der einen zur anderen Lebensweise und deren Abtrennung voneinander durchaus fließend bzw. transparent gewesen sein. In dieser Phase setzen nun, zumindest beim aktuellen Forschungsstand, auch die Funde auf dem Berg Umm al-Biyara wieder ein. Dies bedeutet, dass man spätestens zu diesem Zeitpunkt Bedarf für eine permanente Weitsicht und Kommunikation mit der Außenwelt hatte, ein eindeutiges Anzeichen, dass sich Petra auf dem Weg vom temporären Siedlungsplatz zum Zentralort befand. Diese Bestrebungen finden ihren deutlichsten Ausdruck in der gegen die Mitte des 1. Jhs. v.Chr. zu datierenden größten kollektiven Maßnahme, die sich für den Siedlungsplatz Petra beobachten lässt: Die Umleitung des Wadi Musa durch einen künstlichen Tunnel, durch das Wadi Mudlim in das Wadi Mattaha und zurück in das Stadtzentrum bildet die Grundlage für eine dauerhafte und blühende Stadtanlage an dieser Stelle. Diese Unternehmung ist, ebenso wie die hochkomplexen Bemühungen zur Trockenlegung und zum Schutz der Gegend vor Springfluten, nur unter einer gut funktionierenden Zentralgewalt vorstellbar. In der Folge wird Petra zum internationalen Schaufenster der Nabatäerkönige ausgebaut. Trotz der hier stark verkürzten Resultate, haben sich auch zahlreiche neue Fragen aufgetan. Das Bild einer stark punktuellen Besiedlung an isolierten Flecken ist möglicherweise (auch) dem Forschungsstand geschuldet. Weitere Tiefengrabungen könnten hier zu neuen Erkenntnissen führen. Nach wie vor herrscht im archäologischen Befund ein Hiat zwischen dem Ende der edomitischen Präsenz und dem Beginn der nabatäischen (nachweisbaren) Anwesenheit, auch wenn die Lücke durch das Projekt „Early Petra“ merklich kleiner wurde. Ob es sich um einen tatsächlichen Siedlungsunterbruch handelt oder ob dieser Befund dem Forschungsstand geschuldet ist, lässt sich im Moment nicht sagen. Auch die Frage, ob die frühen Nabatäer identisch mit den Edomitern sind, oder ob es sich um eine neue Menschengruppe handelt, konnte im Projektrahmen nicht beantwortet werden, ebenso wenig wie die nach der allfälligen Herkunft der Neusiedler. Petra zieht immer größer werdende Besucherströme an, daher herrscht auch ein gesteigertes Medieninteresse an archäologischen Aktivitäten in Petra. Unser Projekt wurde mehrfach in den sog. Massenmedien gezeigt, u.a. in einer multimedia-Reportage auf Spiegel online http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/antikes-petra-steinernes-mysterium-in-deroednis-a-763998.html http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/felsenstadt-petra-archaeologen-findenbadehaus-in-der-wueste-a-763981.html aber auch in einem Beitrag der Printversion des Spiegel http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-89079814.html Dieser stand in Zusammenhang mit der eingangs erwähnten Ausstellung „Petra – Wunder in der Wüste. Auf den Spuren von J. L. Burckhardt alias Scheich Ibrahim“ welche 2012/13 im Antikenmuseum Basel und Slg. Ludwig in Basel (Schweiz) gezeigt wurde. Obwohl die Ausstellung nicht direkt Teil des Projektes war, konnten zahlreiche Synergieeffekte erzielt werden, nota bene im Bereich der Medienpräsenz. In den über 200 Presseberichten wurden Teilaspekte des Projektes ebenso erwähnt wie in der Ausstellung selbst, welche von rund 75'000 Besuchern gesehen wurde.
Publications
- Dating the early phases under the temenos of the Qasr al-Bint at Petra, in: L. Nehmé – L. Wadeson (eds.), The Nabataeans in Focus: Current Archaeological Research at Petra, Suppl to PSAS 42 (Oxford 2012) 39-54
F. Renel – M. Mouton – C. Augé et al.
- The International Aşlah Project, Petra. New research and new questions, in: L. Nehmé – L. Wadeson (eds.), The Nabataeans in Focus: Current Archaeological Research at Petra, Suppl to PSAS 42 (Oxford 2012) 127- 141
R. Wenning – L. Gorgerat
- The palaces of the Nabataean kings in Petra, in: L. Nehmé – L. Wadeson (eds.), The Nabataeans in Focus: Current Archaeological Research at Petra, Suppl to PSAS 42 (Oxford 2012) 73-98
S. G. Schmid – P. Bienkowski – Z. T. Fiema – B. Kolb
- Early Nabataean Royal Portraiture, in: F. al-Hmoud (Hrsg.) Studies in the History and Archaeology of Jordan 11 (Amman 2013) 757-769
S. G. Schmid
- Men on the Rocks. The Formation of Nabataean Petra (Berlin: Logos-Verlag, 2013), 361 S. ISBN 978-3-8325-3313-7
M. Mouton – S. G. Schmid (Hrsg.)