Zoologie
Final Report Abstract
Im Rahmen des Projektes wurden der Einfluss von sozialer Organisation auf Kooperation, Kognition und Koordination an frei lebenden Fledermauspopulationen untersucht. Dabei wurden drei Ansätze verfolgt: 1.) Analyse von Langzeitdaten zum Verständnis der Fission-Fusion-Dynamik bei Bechsteinfledermäusen (Myotis bechsteinii) und Braunen Langohren (Plecotus auritus). 2.) Freilandexperimente zu Gruppenentscheidungen und Informationstransfer bei diesen zwei Arten. 3.) Etablierung von Magnet-Resonanz-Tomographie zur in vivo Vermessung von Gehirnen bei Bechsteinfledermäusen. Im zweiten Teilprojekt führten wir beispielsweise Freilandexperimente zu Gruppenentscheidungen über Tagesquartiere bei Braunen Langohren und Bechsteinfledermäusen durch. Es zeigte sich, dass Bechsteinfledermäuse selbst dann keine Fledermauskästen als Tagesquartier besiedelten an denen sie ein starkes Störsignal erhalten hatten, wenn die Mehrheit der anfliegenden Tiere am entsprechenden Kasten kein solches Signal erhalte hatte. Bei der Quartierwahl spalteten sich die Kolonien stattdessen entweder in gestörte und ungestörte Tiere auf, oder sie nutzten einen Kasten gar nicht an dem ein Teil von ihnen das starke Störsignal erhalten hatte. Diese Ergebnisse stehen in einem interessanten Kontrast zu den Ergebnissen aus Experimenten mit den anderen, schwächeren Störsignalen. Hier nutzten die Tiere regelmäßig auch Kästen als Tagesquartier in denen sie nachts ein Störsignal erhalten hatten, wenn ein Teil ihrer Koloniemitglieder am entsprechenden Kasten kein Störsignal erhalten hatte. Insgesamt zeigen die Experimente zu Gruppenentscheidungen bei Bechsteinfledermäusen, dass 1.) die Tiere in der Art der Entscheidungsfindung flexibel sind; und 2.) es von der Stärke des Informationskonfliktes (zwischen gestörten und ungestörten Tieren) abhängt, ob die Tiere in der Lage sind einen Konsens mit Mehrheits- oder Minderheitsentscheidung zu finden, einen "einstimmigen" Konsens bevorzugen, oder zu gar keinem Konsens kommen und sich entsprechend ihrer individuellen Information aufspalten. Interessanterweise verhielten sich Braune Langohren im gleichen Freilandexperiment anders. Hier spalteten sich die Kolonien auch bei starken Informationskonflikten nicht auf, sondern alle Tiere wählten stets einen Kasten als Tagesquartier, an dem keines der Tiere ein Störsignal erhalten hatte. Die Daten zu sozialen Netzwerken, Gruppenentscheidungen und individuellen Verwandtschaftsverhältnissen bilden die Grundlage für weitere Untersuchungen im Rahmen unserer Langzeitstudie an im Wald lebenden Fledermäusen. Die gewonnen Daten zur sozialen Struktur der Kolonien dienen z.B. dazu den Einfluss sozialer Beziehungen auf das Verhalten und das Überleben der Koloniemitglieder sowie auf die Weitergabe von Informationen über Tagesquartiere bzw. von Kontakt übertragenen Ektoparasiten und Viren zu untersuchen. Unsere Untersuchungen an den Fledermäusen führten auch zu sehr detaillierten Bestands- und Überlebensdaten und den Ansprüchen der Tiere an ihr Habitat. Diese Daten machten wir dem staatlichen und ehrenamtlichen Naturschutz zugänglich.
Publications
- 2010. Group decision-making in animal societies. In: Animal Behaviour: Evolution and Mechanisms. Springer, p. 241-265
Kerth, G.
- 2010. Group decision-making in fission-fusion societies. Behav Proc 84: 662- 663
Kerth, G.
- 2010. Similar is not the same: Social calls of conspecifics are more effective in attracting wild bats to day roosts than those of other bat species. Behav Ecol Sociobiol 64: 2053-2063
Schöner, C. R., Schöner M. G. & Kerth, G.