Asymmetrische Verwandteninvestition von Großeltern, Onkeln und Tanten aus evolutionärer Sicht. Eine interkulturelle Zwei-Generationen-Studie.
Final Report Abstract
Die Kinderfürsorge von Großeltern, Onkeln und Tanten in modernen urbanen Gesellschaften weist ein typisches asymmetrisches Präferenzmuster auf. Im Durchschnitt kümmern sich weibliche Verwandte mütterlicherseits am meisten und männliche Verwandte väterlicherseits am wenigsten um Enkel, Nichten und Neffen. Verschiedene evolutionäre Theorien zur Verwandtschaftsselektion versuchen diese Asymmetrien als Folge unterschiedlicher Reproduktionsstrategien zu erklären. In Gesellschaften mit traditionellen Familiensystemen kann die Verwandtenfürsorge jedoch vom universalen Fürsorgemuster abweichen. Die Gründe für diese kulturellen Unterschiede sind bisher nur unzureichend erforscht, ebenso wie die proximaten Ursachen asymmetrischer Verwandtenfürsorge. Mit Hilfe eines Zwei-Generationen-Fragebogens wurden insgesamt 1037 Personen aus kulturell unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu Verwandtschaftsbeziehungen und zur empfangenen Fürsorge in der Kindheit befragt: Deutsche (moderne nukleare Familienstruktur), Ost-Javaner aus der Lamongan-Gressik Region (überwiegend matrilokal, islamisch patrilinear mit alten matrilateralen Einflüssen), griechische Vlachen vom Olymp (historische Pastoralisten, patrilokal, endogam) sowie ländliche Kirgisen und Baschkiren (Kirgisistan bzw. Baschkortostan [Russland], historische kiptschakische Steppenvölker mit Clan-Struktur, patrilokal, exogam). In den untersuchten traditionellen Gesellschaften war die kulturelle Variabilität bei der Verwandtenfürsorge wesentlich größer als erwartet. Während bei Javanern und besonders bei Deutschen die Fürsorge matrilateraler Verwandter, wie universell zu erwarten, höher war, zeigte sich bei griechischen Vlachen und vor allem bei Kirgisen eine ausgeprägte Patrilateralität in der Großelternfürsorge. Bei Baschkiren ergab sich ein gemischtes Bild ohne eindeutige Lateralität. Dies spiegelt offensichtlich eine Zwischenstufe in der Entwicklung von einer traditionellen Bevölkerung zu einer modernen Gesellschaft innerhalb der Russischen Föderation wider. Die Onkel- und Tanten-Fürsorge bei Deutschen entspricht dem universal postulierten Fürsorgemuster. Auch bei Javanern kümmerten sich die maternalen Tanten am meisten. Bei Griechen und Baschkiren sind die Ergebnisse mehr gemischt. Das gleiche gilt allgemein für die nicht-blutsverwandten affinen Onkel und Tanten. Die Untersuchung von Stiefgroßeltern und getrennt lebenden Großeltern in Deutschland konnte weitere proximate Indizien ermitteln. Die postulierten Asymmetrien bei der Stiefgroßeltern-Fürsorge konnten bestätigt werden. Die deutlich geringere Fürsorge geschiedener Großväter ließ sich nicht primär auf neu eingegangene Beziehungen zurückführen.
Publications
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- Wohlbefinden im Alter als Motiv für Großelternschaft? Enkel erhöhen nicht die Lebenszufriedenheit − machen aber glücklicher. Eine Analyse anhand der Daten des Deutschen Alterssurveys. Netzwerk AlternsfoRschung (NAR), Universität Heidelberg, 10. Januar 2011
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- Biased Kin-Caregiving by Grandparents, Aunts and Uncles. A Cross-Cultural Comparative Study. The 24th Annual Meeting of the Human Behavior and Evolution Society, Albuquerque (NM), 13. - 17. Juni 2012
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- Preferential Child-Care in Germany, Greece, Indonesia, Kyrgyzstan and Bashkiria from an Evolutionary Perspective. The 21th Biennial Conference of the International Society for Human Ethology, Wien, 13. - 17. August 2012
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- Präferenzielle Verwandtenfürsorge in Indonesien, Griechenland und Baschkirien. Neue Daten und erste Ergebnisse einer kulturvergleichenden Studie. 12. MVE-Tagung, Kulturelle Evolution, Dresden, 22. - 24. März 2012
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