Im ersten Teil der Arbeit wurde das Traumwissen des Ottocento aufgearbeitet, ausgehend von einer Analyse des Traums von Don Rodrigo aus Alessandro Manzonis Roman Le promessi sposi und seiner Situierung im Romankontext. Entgegen einer anachronistischen psychoanalytischen Lesart dieses Traums, wie sie bisher von literaturwissenschaftlicher Seite häufig vorgenommen wurde, stellt die Arbeit ihn in den Kontext des Traumwissens seiner Zeit. Manzoni überblendet hier, so die Beobachtung, die beiden ebenso zentralen wie konträren Traumauffassungen, die im ersten Drittel des Ottocento vorherrschen und bis auf die antike Unterscheidung von "oneiros" und "enuptia" zurückgehen: "rêve surnaturel" und "rêve naturel". Dadurch wird die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine dritte mögliche Lesart gerichtet: die psychologische Dimension des Traums als "rêve psychologique". Anhand von Manzonis Roman gelingt also eine Kartierung des Traumwissens der ersten Hälfte des Ottocento und ein Ausblick auf das sich wandelnde Diskursfeld in der zweiten Jahrhunderthälfte. Dargestellt wird dieses anhand von drei Unterkapiteln zum "rêve surnaturel", zum "rêve naturel" und zum "rêve psychologique". Diese Kartierung macht deutlich, wie eng Freuds eigenes Traumwissen mit dem des Ottocento verknüpft ist: Neben dem medizinischen und psychologischen Wissen spielt hier auch die Mantik (in anderer Form als Freud selbst das darstellt), und, was bisher von der Forschung vernachlässigt wurde, die Hagiographie eine Rolle. Der zweite und dritte Teil der Arbeit untersucht, wie Federigo Tozzi und Italo Svevo sich in ihren Texten mit diesem Traumwissen auseinandersetzen. Das geschieht jeweils unter einer chiastischen Perspektive: Zum einen wird in einer wissenspoetologischen Optik gefragt, welche Schlüsse die Analyse der literarischen Auseinandersetzung mit dem Traum zulässt bezüglich der Geschichte des Traumwissens, zum anderen, inwiefern sich die spezifisch moderne Poetik, die beide Autoren entwickeln, vor dem Hintergrund ihrer Auseinandersetzung mit dem Traumwissen beschreiben lässt. Im zweiten Kapitel wird herausgearbeitet, dass Tozzis Romane und Erzählungen, die aufgrund ihrer onirischen Wirkung von der Forschung wiederholt mit dem Werk Franz Kafkas in Verbindung gebracht wurden, exemplarisch für eine am Traum orientierte Poetik stehen können. Gerahmte Träume werden hier nur selten erzählt, aber die zahlreichen rational und figurenpsychologisch unerklärbaren Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen, die Tozzis Texte in Szene setzen, gewinnen erst Sinn, wenn man sie auf einen Protagonisten bezieht, der "träumt". Es ist die Erzählstruktur des Traums, die hier auf den Gesamttext übertragen wird. Wie es der Titel von Tozzis erstem abgeschlossenem Roman "Con gli occhi chiusi" bereits nahelegt, wird die Traumhaftigkeit der Wahrnehmung seiner Protagonisten hier zum Strukturprinzip. Zugleich lässt sich an Tozzis Romanen und Erzählungen, die in ihrer Auseinandersetzung mit dem Traum nicht nur auf psychophysiologischen Diskurse ihrer Zeit, sondern, wie besonders am Romanfragment [Adele] sichtbar wird, auch auf ältere religiöse Diskurse zu Mystik und Vision zurückgreifen, zeigen, dass beide Wissensbereiche insbesondere bezüglich ihrer Konzeption des vom Subjekt in Traum und Vision erfahrenen Selbstverlusts zahlreiche Parallelen zeigen. In Svevos Romanen und Erzählungen werden viele Einzelträume erzählt, das Träumen wird so zum Sujet der Texte selbst. Die um Selbstoptimierung bemühten Protagonisten träumen, wenn sie schwer gegessen haben oder krank werden, aber auch dann, wenn sie ein schlechtes Gewissen haben oder von ihren Erfolgen berauscht sind. Dabei steht Alfonso Nitti, Protagonist von Svevos 1892 erschienenem Roman Una vita, Zeno Cosini, Leser eines "trattato di psico-analisi" in nichts nach: Vor und nach Svevos Begegnung mit Freuds Texten schreiben die Protagonisten seiner Romane ihre Träume auf oder erzählen sie, ihre Träume werden erfunden, erinnert oder vergessen und von den Protagonisten, anderen Figuren oder dem Erzähler auch gelegentlich gedeutet. Svevos Texte lassen sichtbar werden, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Traum im ausgehenden 19. Jahrhundert eng mit dem Hygienediskurs der Zeit verknüpft ist und dass das Träumen sich von einem pathologischen Symptom zu einer Strategie der Selbstoptimierung wandelt. Neben dieser wissenspoetologischen Dimension konnte an Svevos Erzählungen und Romanen auch die Entwicklung einer Traumpoetik nachgezeichnet und an drei Themenfeldern exemplifiziert werde, die seit den 1970er Jahren im Mittelpunkt der Svevoforschung stehen: an der Frage nach der Zeitstruktur des Romans, an der Frage nach Svevo und Zenos Umgang mit der Gattung der modernen Autobiographie und deren Forderung nach Authentizität und Transparenz und schließlich an der Frage nach der Schrift und dem Schreiben.