FOR 1097: Person Perception
Medicine
Final Report Abstract
Soziale Wahrnehmungsprozesse erfordern eine effiziente Analyse und Repräsentation personenbezogener Informationen. Gesichter und Stimmen transportieren viele dieser Informationen über die Identität, Alter, Geschlecht oder ethnische Zugehörigkeit, aber auch über kommunikationsrelevante Signale wie den emotionalen Zustand oder die momentanen Intentionen eines Menschen. Ziel der Forschergruppe “Person Perception” war es, erstmals auf breiter Basis kognitive, soziale und neuronale Aspekte der Personenwahrnehmung zu integrieren, um Theorien der psychologischen und neuronalen Grundlagen der Personenwahrnehmung voranzutreiben. Dabei sollten grundlegende Wahrnehmungsmechanismen ebenso untersucht werden wie die Wahrnehmung sozialer und emotionaler Informationen sowie die Personenwahrnehmung in spezifischen Gruppen (z.B. alten Menschen, Menschen mit erhöhter sozialer Angst). Weiter sollte geprüft werden, inwieweit für die Wahrnehmung der menschlichen Stimme (die zuvor in der Forschung vernachlässigt worden war) analoge Mechanismen gefunden werden können, wie für die Wahrnehmung von Gesichtern. Einige zentrale Ergebnisse der Forschergruppe wurden in zwei Sonderheften einschlägiger Fachzeitschriften veröffentlicht. Die publizierten Arbeiten des Verbundes haben insbesondere die mentalen Repräsentationen spezifiziert, die für die Wahrnehmung und Identifikation bekannter Gesichter und Stimmen entscheidend sind. Für Gesichter konnte die bisher dominierende Hypothese der “konfiguralen Verarbeitung” widerlegt werden, nach der die Form und relative metrische Relationen zwischen Merkmalen für die Identifikation als entscheidend galten. Stattdessen zeigte sich, dass Repräsentationen von Gesichtern im Verlauf des Lernprozesses zunehmend von Aspekten der Oberflächentextur dominiert werden. Für die soziale Wahrnehung von Stimmen wurde in mehreren innovativen Studien eine besondere Rolle von “Timbre” im Vergleich zur bislang häufig betrachteten Fundamentalfrequenz gezeigt. Weitgehend bestätigt werden konnte die Annahme, dass individuelle Gesichter “normbasiert” (d.h. gewissermaßen als “Vektor” relativ zu einem Prototypen, der sich aus der bisherigen perzeptuellen Erfahrung eines Betrachters ergibt) repräsentiert werden. Wir konnten insbesondere nachweisen, dass (a) spezifischer Kontakt mit bestimmten Personengruppen (z.B. alte vs. junge Erwachsene, Europäer vs. Asiaten) das Gesichtergedächtnis für diese Gruppen systematisch moduliert, und dass (b) das Prinzip der normbasierten Kodierung auch auf die Repräsentation von Stimmen generalisiert. Die Forschergruppe konnte schließlich wichtige neurokognitive Mechanismen des Lernens von Gesichtern und Stimmen neu etablieren und belegen, dass die sog. “repetition suppression” – die Verringerung einer neuronalen Antwort bei wiederholter Darbietung eines Stimulus (oder eines seiner Attribute) – ein zentraler Mechanismus zur Verarbeitung sozialer Informationen ist. Diese ließ sich auf verschiedensten Ebenen neuronaler Informationsverarbeitung (z.B. piktorial, repräsentational, semantisch) nachweisen und reflektiert vermutlich die prädiktive Kodierung des Gehirns im Interesse einer effizienten Interaktion. In experimentellen und klinisch-neurowissenschaftlichen Teilprojekten wurden die Rolle von Aufmerksamkeitsprozessen für die Emotionswahrnehmung untersucht und die neuronalen Mechanismen veränderter Emotionsverarbeitung insbesondere bei Menschen mit sozialen Ängsten detailliert beschrieben. In sozialpsychologischen Projekten wurden Interaktionen von Stimme und Gesicht bei der Eindrucksbildung sowie das erhöhte Gedächtnis für Betrüger der eigenen sozialen Gruppe als basale Mechanismen sozialer Kognitionssprozesse etabliert und beschrieben. Schließlich haben die Untersuchungen der Forschergruppe große (in diesem Ausmaß nicht vorhergesagte) individuelle Unterschiede in den Fähigkeiten zur Personenwahrnehmung belegt, deren Grundlagen und Konsequenzen nun genauer zu untersuchen sein werden.