Im Rahmen des Projekts „Narrative Identitätskonstruktionen. Alteritätskonstituierungen in Selbstdarstellungen von ehemaligen Mitgliedern linksterroristischer Gruppierungen“ wurden Autobiografien und veröffentlichte Interviews von ehemaligen Angehörigen der „Rote Armee Fraktion (RAF)“, der „Bewegung 2. Juni“ sowie der „Revolutionären Zellen (RZ)“ systematisch auf der inhaltlich-hermeneutischen, formalen und funktionalen Ebene analysiert. Im Fokus der hermeneutischen Analysen stand das Leitkonstrukt „Alterität“, das als vielschichtiges Phänomen verstanden und entsprechend mehrdimensional erfasst wurde. Die Analyse orientierte sich dabei an ausgewählten relevanten Stationen terroristischer „Karrieren“: dem Einstieg in die – zunächst linksalternative, später terroristische – Szene und dem Leben in der Illegalität, der Fahndung, Verhaftung und Inhaftierung und schließlich dem Ausstieg. Narrative Identitäts- und Alteritätskonstruktionen der Erzähler/innen wurden dabei auf der Basis sowohl von „case studies“ als auch vergleichenden Untersuchungen herausgearbeitet und die Ergebnisse historisch kontextualisiert. Neben den Inhalten der Texte interessierten auch die sprachlichen Gestaltungsformen (formale Ebene). Eine dialogische Verbindung zwischen Ansätzen der kulturwissenschaftlichen Erzählforschung und solchen der literaturwissenschaftlichen Erzähltheorie verstärkte die Sensibilität für die sprachliche Gestaltung von Identitätskonstituierungen und trug zu schärferen Fokussierungen der hermeneutischen Analyse bei. Schließlich wurden die narrativen Selbstdarstellungen auch auf der funktionalen Ebene untersucht. Hier ging es um die Frage, mit welchen narrativen Mitteln die Erzähler/innen sich im sozialen Raum positionieren und eine soziale Beziehung gestalten, die sie mit den – vorgestellten – Rezipienten ihrer Selbstdarstellungen verbindet. Im Mittelpunkt standen hier Rechtfertigungsgeschichten. Durch ihre Analyse ließen sich zum einen Präsenz und Geltungsbereich kultureller Normen erfassen, zum anderen spezifische Strategien einzelner Akteure, mit denen sie ihre Handlungen legitimierten. Die Ergebnisse des Projekts zeichnen die Prozesshaftigkeit des Anderswerdens terroristischer Akteure im Kontext verschiedener Stationen ihrer Biografien auf, machen die Vielschichtigkeit von Alteritätserfahrungen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene deutlich und belegen die Bedeutung formaler und funktionaler Aspekte für narrative Identitäts- und Alteritätskonstituierungen. Darüber hinaus erweitert diese Studie durch die Berücksichtigung der Binnenperspektive der ehemaligen Akteure die diskursive Auseinandersetzung mit einem bedeutenden Abschnitt der bundesrepublikanischen Zeitgeschichte.