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Freie und gleiche Rede. Das Verfassungsrecht politischer Sprechakte

Antragsteller Dr. Christian Neumeier
Fachliche Zuordnung Öffentliches Recht
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 553258005
 
Nach einer berühmten Formulierung des Bundesverfassungsgerichts ist die Meinungsfreiheit für die Demokratie „schlechthin konstituierend“. Was aber bedeutet es verfassungsrechtlich, die Meinungsfreiheit als demokratisches Recht zu verstehen? Demokratie beruht auf einem Versprechen gleicher Freiheit. Politische Rechte sind daher in modernen Demokratien Rechte gleicher Freiheit. Im Wahlrecht kommt dieser Gedanke in der Idee strikter Stimmengleichheit zum Ausdruck: one citizen, one vote. Wie aber kann die Meinungsfreiheit als ein Recht gleicher Freiheit konzipiert werden? Das ist die bislang ungeklärte Fragestellung des Vorhabens. Welche Freiheits- und Gleichheitsnormen in ihrer Interpretation zum Ausdruck kommen, ist bislang nicht systematisch untersucht worden. Das Vorhaben will vor diesem Hintergrund eine demokratische Theorie der Meinungsfreiheit entwickeln. Es untersucht, inwiefern ihre demokratische Bedeutung die Meinungsfreiheit zu einem besonderen Grundrecht macht und was daraus für ihre Interpretation und Beschränkung folgt. Die Arbeitshypothese besteht darin, dass die Meinungsfreiheit nicht als Recht kommunikativer Autonomie oder individueller Selbstexpression verstanden werden kann, sondern als Recht des Zugangs zum und des Handelns im sozialen Raum der Gründe, in dem sich Bürgerinnen und Bürger ebenso wie beim Wählen als Freie und Gleiche gegenüberstehen und doch anderen verfassungsrechtlichen Regeln unterliegen. Das Vorhaben verfolgt damit zwei Ziele. Es will (1) die Meinungsfreiheit als grundgesetzliche Variante eines Rechts freier Rede verstehen. Dazu muss auf rechtsvergleichender Basis ein begriffliches Gerüst erarbeitet werden, das abstrakter ist als die deutschen grundrechtsdogmatischen Begriffe. Diesem Ziel dient die Einführung der beiden für die Arbeit zentralen Begriffe des sozialen Raums der Gründe und des politischen Sprechakts. Mit ihrer Hilfe lassen sich Gegenstand und demokratische Bedeutung der Meinungsfreiheit differenzierter beschreiben, als es traditionelle Begriffe wie Kommunikation, Öffentlichkeit, öffentliche Meinung oder Äußerung erlauben. Die „Konstitutionsbeziehung“ zwischen Meinungsfreiheit und Demokratie ist jedoch keine einseitige. Nicht nur verfasst die Meinungsfreiheit die Demokratie, auch die Demokratie kann nach Art. 5 Abs. 2 GG das Recht der freien Rede durch allgemeine Gesetze bestimmen und begrenzen. Das Vorhaben will daher (2) ein Modell entwickeln, um demokratische Beschränkungen der Meinungsfreiheit zu evaluieren. Heute eröffnen die veränderten Kommunikationsbedingungen zum ersten Mal die Möglichkeit, das demokratische Versprechen der Meinungsfreiheit ernst zu nehmen. Damit stellt sich zugleich die Frage nach den Regeln und Strukturen für ein freies und gleiches Agieren im Raum der Gründe zum ersten Mal in voller Schärfe. Das macht es erforderlich, noch einmal neu nach der demokratischen Bedeutung der Meinungsfreiheit und den Folgen zu fragen, die sich daraus für demokratische Beschränkungen ergeben.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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