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Erinnerung oder Aufarbeitung? Erfahrungs- und Wissensproduktion in Holocaust-Filmen der BRD, DDR und Italien 1945–1990
Antragsteller
Professor Dr. Bernhard Groß
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 550229441
Das Projekt geht von der Beobachtung aus, dass insbesondere die Spiel- und Dokumentarfilme zum Holocaust der ehemals faschistischen Länder Deutschlands und Italiens aus der Zeit des Kalten Kriegs ästhetisch, sowie in Rezeption und Produktion besonders heterogen sind. Ästhetisch schwanken die Filme zwischen der Darstellung einer abgeschlossenen oder auf die Gegenwart hin offenen Vergangenheit; sie oszillieren zwischen Genre- und Dokumentarformen und zwischen 'Aufarbeitung' einer virulenten und 'Erinnerung' an eine abgeschlossene Vergangenheit: Besonders daran ist, dass diese Ambivalenzen häufig innerhalb ein und desselben Films auftreten. Ambivalent sind auch die Rezeptionsformen: Filme 'linker' Filmemacher werden etwa von der konservativen Presse gelobt und von der 'linken' Kritik zerrissen; auch preisgekrönte Filme führen zu inner- und zwischenstaatlichen Eklats. These ist, dass zwischen 1945 und 1990 insbesondere in den genannten Ländern sowohl inner- als auch zwischenstaatlich noch nicht feststeht, ob es den Filmen und der Auseinandersetzung mit ihnen um die Darstellung historischer Fakten, d.h. um Aufarbeitung, oder um Erinnerung, d.h. die Darstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit geht. Dieser inner- und außerfilmische Gegensatz ist als Kampf um die Deutungshoheit über die Ereignisse zu verstehen, der von den jeweiligen Ideologien der Blöcke und ihren nationalen Ausformungen grundiert ist. Dieser Kampf entwickelt sich nicht linear von den 1940er bis in die 1980er Jahre, sondern ist von Kontinuitäten und Brüchen, von ästhetischen Allianzen und Ausschlüssen, mithin von einer Wahrnehmung des Holocaust geprägt, die stets selbst historisch veränderlich ist. Der Aspekt der historischen, ästhetischen und politischen Heterogenität der Spiel- und Dokumentarfilme der drei Staaten zwischen 1945 und 1990 ist im Zuge der Dominanz der Erinnerungs- und Gedächtnisforschung in den Geisteswissenschaften seit den 1990er Jahren auch in der Filmwissenschaft in den Hintergrund getreten. Das Projekt will deshalb auf Basis des vollständigen Korpus der Filme der drei Länder deren Spiel- und Dokumentarfilme zum Holocaust zwischen 1945 und 1990 analysieren und diese mit ihrer Rezeption und den film- und kulturpolitischen Direktiven in Bezug auf diese Filme und ihre Akteur/innen vergleichen. Der Ländervergleich soll die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der durch den Kalten Krieg beeinflussten Heterogenität deutlich machen, da es zum einen um eine innerstaatliche (Italien) und zum anderen um eine zwischenstaatliche (BRD/DDR) Auseinandersetzung geht. Das Projekt besteht aus zwei aufeinander abgestimmten und sich wechselseitig ergänzenden Unterprojekten (UP) zu BRD/DDR und Italien. Gerahmt und gefasst wird das Projekt durch die Arbeit an einer ländervergleichenden Perspektive (Projektleiter). Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, werden die Filme aller UP auf gleicher methodischer Grundlage untersucht und nach festgelegten Parametern analysiert.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen