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SFB 630:  Erkennung, Gewinnung und funktionale Analyse von Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten

Fachliche Zuordnung Chemie
Biologie
Medizin
Förderung Förderung von 2003 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5485822
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ziel dieses Sonderforschungsbereichs ist, in einem akademischen Umfeld die Suche nach und Entwicklung von Anti-Infektiva zu unterstützen. Auch wenn zwischenzeitlich diese Thematik auch die Schlagzeilen der Politik weltweit eroberte, hat das zu Grunde liegende Bild sich nicht wesentlich verändert. Infektionskrankheiten sind immer noch die Todesursache Nummer eins in Ländern mit geringen Einkommen. Für einige tropische, mit Armut assoziierte Krankheiten, die sogenannten „vernachlässigten Krankheiten“, wurde von der WHO 2012 ein Plan zu Kontrolle, Eliminierung und Ausrottung entwickelt, der als zentrales Element eine präventive Chemotherapie beinhaltet - es herrscht jedoch immer noch ein Mangel an geeigneten und bezahlbaren Therapeutika. Zudem bilden sich rasend schnell Resistenzen gegen die gebräuchlichen Klassen an antimikrobiellen Wirkstoffen aus und sind mittlerweile auch in hochentwickelten Ländern weit verbreitet. Die WHO warnte 2014, dass ein post-antibiotisches Zeitalter eine sehr reale Möglichkeit für das 21. Jahrhundert ist. Die Suche nach neuen Anti-Infektiva ist folglich heute noch genauso dringend erforderlich wie zu Beginn dieses Sonderforschungsbereiches und verlangt nach wie vor den Einsatz von akademischer Wissenschaft. Wir fokussierten unsere Forschung auf Wirkstoffe gegen Trypanosomen, Leishmanien, Candida, Mykobakterien, Legionellen, Staphylokokken – auch MRSA – Chlamydien und Neisserien. Die großartige interdisziplinäre Zusammenarbeit von Mikrobiologen, Pharmazeuten, Chemikern, Physikern, Medizinern und theoretischen Chemikern und Biologen ist in mehr als 460 begutachteten wissenschaftlichen Veröffentlichungen belegt. Einige repräsentative Highlights sollen hier genannt werden: 1. Grundlegende Virulenz- und Resistenzmechanismen von Pathogenen wurden z. B. an Candida albicans untersucht, die Effluxpumpen exprimieren, die antifungale Wirkstoffe ausschleusen. Die Expression dieser Proteine wird durch ein diffiziles Zusammenspiel verschiedener Transkriptionsfaktoren gesteuert. Die Kenntnis ihrer Aktivierung, Stimulation und ihres Einflusses auf die Fitness des Erregers sind eine grundlegende Voraussetzung, um diesen Resistenzmechanismus zu bezwingen. 2. Ein bedeutender Virulenzmechanismus in Trypanosomen ist die Variation des Antigens, das die gesamte Oberfläche des Parasiten bedeckt. Wir konnten nun zeigen, dass dieser Prozess mechanistisch mit der Stadienentwicklung der Trypanosomen verbunden ist und haben somit einen neuen Angriffspunkt für die Afrikanische Schlafkrankheit identifiziert. 3. Für bakterielle Infektionen wurden neue In-vivo-Imaging-Verfahren entwickelt, die erstmalig die parallele Analyse der Dynamik und Kinetik einer Infektion sowohl des Pathogens als auch der zellulären Immunantwort des Wirts erlauben und somit ein umfassendes Bild ihrer Wechselwirkungen in Echtzeit geben. 4. Der Wirkmechanismus von anti-infektiven Substanzen wurde nicht nur in den zellulären Stoffwechselprozessen wie Apoptose und Autophagie analysiert, sondern auch bis auf die atomare Ebene der Interaktionen zwischen Ligand und Zielprotein. Dem Zusammenwirken von Experten der Strukturbiologie, der theoretischen Chemie, der synthetischen Chemie und der Biochemie gelang es, eine neue Route zum maßgeschneiderten Design von kovalenten Proteinliganden zu erschließen. Ausgehend von den bekannten strukturellen Interaktionen von irreversiblen Proteaseinhibitoren wurden durch quantenmechanische Berechnungen und Docking-Studien die korrespondierenden kovalent-reversiblen Inhibitoren entworfen. Diese Liganden zeigen die gewünschten kinetischen Parameter in vitro, sind hochaktiv gegen Trypanosomen und erzeugen – wie erwartet – wesentlich geringere Zytotoxizität. 5. Im Bereich der Chemie und Pharmazie wurden neue Strategien zur Gewinnung und strukturellen Charakterisierung der Wirkstoffe sowie zu ihrer galenischen Formulierung verwirklicht. Für ausgewählte Arzneimittelkandidaten aus den Klassen der Chinolonamide, der Naphthylisochinolin-Derivate, der Pipecolinsäureester und der Zimtsäureester wurde die Effizienz im Tiermodell für die afrikanische Trypanomiasis, Malaria, Melioidose oder Leishmaniose bewiesen - dies ist ein Schlüsselschritt zur Übernahme der weiteren Entwicklung durch Produktentwicklungsgesellschaften wie „Drugs for Neglected Diseases Initiative“ oder durch die pharmazeutische Industrie.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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