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Interpol 1933 bis 1956. Globale Verbrechensbekämpfung zwischen Nationalsozialismus und Kaltem Krieg
Antragsteller
Professor Dr. Jens Jäger
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 545929619
Interpol ist die älteste (gegründet 1923) und größte internationale Organisation (zurzeit 195 Mitgliedsstaaten), die der weltweiten Koordination der Verbrechensbekämpfung dient. Deren Geschichte ist jedoch wenig bearbeitet und analysiert. Eine Aufarbeitung ihrer Vergangenheit ist lückenhaft, insbesondere ist die Zeit zwischen 1933 und 1945 – einer Phase in der die deutsche Polizei Interpol weitgehend und ab 1940 absolut beherrschte – wenig erforscht. Ebenso liegt die frühe Nachkriegsgeschichte von der Wiederbelebung 1946 bis zur ersten größeren Reform 1956 weitgehend im Dunkeln. Aufgabe des Projekts ist es, erstens, die Phase zwischen 1933 und 1956 genauer zu beleuchten. Dabei gilt die Aufmerksamkeit den persönlichen Netzwerken, die die Geschicke der Organisation maßgeblich bestimmten sowie den Strukturen Interpols, die – so die These – nicht nur die Übernahme der Organisation durch das nationalsozialistische Deutschland mit ermöglichte, sondern auch maßgeblich die Nachkriegsprobleme Interpols bestimmte. Probleme, die im Übrigen trotz diverser Reformen der Organisation bis heute nachwirken und die missbräuchliche Nutzung der weltweiten Polizeiressourcen durch diktatorische und autoritäre Regime erleichtert. Das Projekt widmet sich daher auch der grundsätzlichen Fragestellung, wie internationale Organisationen agieren können, deren Arbeit tief mit nationalstaatlichen Arkanbereichen verwoben sind (wie es die Strafverfolgung darstellt) und die sehr unterschiedliche Rechtsauffassungen der Mitgliedsstaaten berücksichtigen muss, um überhaupt operieren zu können. Das Projekt verfolgt fünf Ziele: 1. eine klare, quellenbasierte Darstellung der Geschichte Interpols im fraglichen Zeitraum vorzulegen, einschließlich der Machtübernahme der Organisation durch NS-Deutschland und der Wiedererrichtung 1946. 2. die Umstände der Wiederbelebung 1946 herauszuarbeiten und die Tätigkeit bis 1956 unter den Bedingungen globaler Blockbildung kritisch nachzuzeichnen, wobei die Rolle von zentralen Personen wie z.B. Florent Louwage und anderen beleuchtet wird, die schon seit den 1930er Jahren Interpols Geschicke mitbestimmt hatten. 3. Grundüberzeugungen über (globale) Kriminalitätsentwicklungen, -ursachen, und -bekämpfung herausarbeiten, die die inhaltliche Zusammenarbeit bestimmten. Als Hypothese wird angenommen, dass starke Kontinuitäten über 1945 hinaus bestanden. 4. Interpol vor allem als ein Netzwerk der maßgeblich Beteiligten zu begreifen, da die Kontinuität der Organisation durch persönliche Kontakte geprägt war, deren Grundlage ein spezifisches, professionelles Verständnis von kriminalpolizeilicher Arbeit und Kameraderie war. 5. auf theoretischer Ebene einen Beitrag zu transnationaler und globaler Geschichtsschreibung zu leisten, wobei es an rezente Arbeiten zu „Expertenkulturen“ sowie der transnationalen Forschung im Rahmen der „Intelligence Studies“ anknüpfen und der Neubewertung des „Kalten Krieges“ neue Aspekte hinzufügen kann.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen