Onomastik und Akkulturation. Die Entwicklung der Namengebung, ihrer Semantik und Motivation in der Begegnung von Christentum, Imperium und barbarischen gentes zwischen Spätantike und frühem Mittelalter (4.-8. Jahrhundert)
Final Report Abstract
Das Saarbrücker Forschungsprojekt "Onomastik und Akkulturation" ist der sprachwissenschaftlich-namenkundliche Beitrag zur Beobachtung und Beurteilung der zahlreichen interkulturellen Phänomene in der Zeit von Spätantike und frühem Mittelalter in Süd- und Westeuropa. Hier kam es zu den Begegnungen von paganen und sich allmählich christianisierenden römischen Kulturen mit den gentilen Gesellschaften in ihrer heidnischen und ihrer christlichen Ausprägung. Der damit einhergehende tiefgreifende Strukturwandel erfasste auch die Personennamengebung, wobei im Resultat die lateinisch-romanische Namengebung durch die germanische weitgehend abgelöst wurde und angepasste romanische Namen mit germanischer Etymologie noch heute einen großen Teil des jeweiligen Namenschatzes ausmachen – dies in überraschendem Kontrast zu vielen anderen Bereichen von Gesellschaft, Kunst und Religion mit Dominanz von römischen und christlichen Traditionen. Die Beschreibung und Deutung der Transformationsprozesse und -ergebnisse bei dem Aufeinandertreffen des lateinisch-romanischen mit dem hiervon sehr unterschiedlichen germanischen Namensystem war die Aufgabe des Forschungsprojekts, das zu Beginn nur an einen schmalen Forschungsstand anknüpfen konnte. Mit der Erforschung der mannigfachen kontaktlinguistischen bzw. kontaktonomastischen Integrations-, aber auch Ausgrenzungs- und Ablösungsphänomene, die aus der Konfrontation der beiden Namensysteme entstanden, gehört das Projekt passgenau in die Ausgangsproblematik und die Fragestellungen des Projektes „Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter“. Die Untersuchung musste aus mehreren Perspektiven heraus geleistet werden. Die Integration germanischer Anthroponyme in romanische Sprachen ist an den jeweiligen Graden phonetisch-phonologischer, morphologischer und lexikalisch-semantischer Umgestaltungen ablesbar, wobei sich areal, quantitativ und chronologisch zum Teil erhebliche Unterschiede ergaben. Zudem können Namen wichtige Rückschlüsse auf Identitätsbewusstsein und die sozialen Gruppenbindungen von Personen bieten. Es sind gut beobachtbare, individuelle Einzelfälle der Namenvergabe innerhalb einer Familie mit romanischem Umfeld, die mit dem Ziel der Annäherung an frühmittelalterliche fränkische Führungsgruppen germanische Namen bewusst einsetzten und damit die Hinwendung zur germanischen Namengebung in breitem Umfang ab der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts entscheidend mit beförderten. Auch mit quantitativen Analysen, wie sie etwa die Bischofslisten der frühen Merowingerzeit in Gallien erlauben, lassen sich diese Prozesse der Akkulturation gut nachzeichnen. Aus der Projektarbeit hervorgegangen sind eine Vielzahl von Publikationen, die die breite Themenfacette angemessen und ausführlich behandeln. Damit konnte zugleich auch ein wichtiger Beitrag geleistet werden, die Wertigkeit von Personennamen sowohl als sprachgeschichtliche als auch als kulturhistorische Quelle stärker herauszuarbeiten und somit auch für nur interdisziplinär zu lösende Fragestellungen noch stärker nutzbar zu machen.