Das Projekt widmete sich den Wahrnehmungs- und Deutungsmustern, die zur Anwendung kommen, wenn in muslimischen narrativen Quellen des 13.-15. Jahrhunderts die hybriden lebensweltlichen Verhältnisse der multipolaren und multikulturellen Kontakt- und Konfliktzone Kleinasien verarbeitet werden. Gegenstand der Untersuchung waren die folgenden Texte: 1. Die persische Historiographie des Ibn Bībīs al-Awāmir al-‘Alā’īya fī’l-Umūr al-‘Alā’īya, 2. Aqsarā’īs persisches Geschichtswerk Musāmarat al-Aḫbār wa-Musāyarat al-Aḫyār, 3. der türkische Volksroman Baṭṭālnāme und 4. Aḥmad-i Aflākīs persische Hagiographiensammlung Manāqib al-‘Ārifīn. Untersucht wurden die Texte hinsichtlich ihrer Aussagen zu den drei großen gesellschaftlichen Gruppen im Anatolien des 13.-15. Jahrhunderts: 1. die Angehörigen und Vertreter der persophonen, am sunnitischen Islam orientierten Stadtkultur, 2. die christliche Bevölkerung und 3. die nicht-sesshaften bzw. ruralen Turkmenen (Türken). Die Untersuchung der Texte hinsichtlich der Themenkomplexe Gruppenidentität und Alterität, Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie Akkulturation und Differenz ließ eine Übermacht des Lebensweltlichen erkennen. Bei Ibn Bībī, Aqsarā’ī und Aflākī wird nicht der große Unterschied der konkreten religiösen Zugehörigkeit, also die Dichotomie von Islam und Christentum als hauptsächlicher Differenzmarker artikuliert sondern vielmehr der Unterschied in der lebensweltlichen Orientierung. Im Vordergrund stehen die Gegensätze zwischen sesshaft-städtischer und nomadisch/halbsesshafter bzw. bäuerlicher Bevölkerung, die Auseinandersetzung zwischen Gesetzesislam und Mystik und der Dualismus zwischen zentralstaatlichem Autoritätsanspruch und stammesmäßig/grenzkriegerischer Autonomie. Der Raum zwischen Christentum und Islam erscheint dagegen häufig nicht als Abgrund oder statische Grenze, sondern als Transgressionszone, die indessen vom Primat des Islam dominiert ist. Zwar spielt auch im Baṭṭālnāme der lebensweltliche Unterschied eine gewisse Rolle als Alteritätskonstituens, etwa wenn Nomaden als distinkte Gruppe isoliert werden. Dieser wird jedoch vor dem Hintergrund des grundlegenden religiösen Antagonismus nicht weiter thematisiert, ebenso wenig das vielgestaltige Neben-, Mit- und Gegeneinander der verschiedenen religiösen, ethnischen, kulturellen und sozialen Gruppen im Anatolien der Transformationsphase.